Nach Ecclestone: Neustart mit Vollgas
Wenn Revolutionen mit Kleinigkeiten beginnen, dann wird in der Formel 1 schon bald kein Stein auf dem anderen bleiben. Alles begann in dieser Woche mit ein paar Filmchen – fünf, sechs, maximal zwanzig Sekunden lang. Und im Minutentakt kamen weitere dazu. Aufgenommen von den großen und von den kleineren Attraktionen im Formel-1-Zirkus.
Erstmals durften Fahrer und Teams Bewegtbilder aus der Box und dem Fahrerlager ins Netz stellen. Langzeit-Geschäftsführer Bernie Ecclestone sah kein Geschäftsmodell darin und daher keine Notwendigkeit, Inhalte aus seinem Reich zu verschenken. Liberty Media, der neue Eigentümer der Rennserie, beendete die alte Direktive prompt. "Das ist das Ende der digitalen Steinzeit in der Formel 1", sagt ein Marketing-Mann eines Rennstalls.
Nicht nur die PR-Abteilungen der Teams sind gleichermaßen überrascht wie erfreut über das direkte und unkomplizierte Auftreten des Mehrheitseigentümers. Der US-Konzern ist drauf und dran, die altehrwürdige Königsklasse des Motorsports vom Staub der Ecclestone-Ära zu befreien.
Doch was sind die Herausforderungen, die Liberty mittel- und langfristig bevorstehen? Und wie sehen die Hauptdarsteller der Formel 1 ihren Sport? Eine Spurensuche im Fahrerlager.
Die Fahrer
Auf die neuen Boliden, die nahe Barcelona noch heute und kommende Woche für den Saisonstart am 26. März vorbereitet werden, hatte Liberty keinen Einfluss. Das Reglement stand lange vor der Übernahme fest. Für alle Piloten ist es ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch vermissen einige die Radikalität früherer Tage. Lewis Hamilton erinnert sich noch gut an seinen ersten Grand-Prix-Besuch 1996: Der Ferrari V10 von Michael Schumacher "war wie ein Kampfjet".
Nicht schnell genug geht es dem Briten, dem Meister der (Selbst-)Vermarktung, auch in Sachen neue Medien. "Ich habe nicht alle Antworten, aber im Fußball, in der NBA oder NFL werden die sozialen Netze um so viel besser genutzt", sagt Hamilton in der auf Hochglanz polierten Mercedes-Unterkunft vor versammelter Weltpresse.
Am anderen Ende des Fahrerlagers sitzt Pascal Wehrlein im Zelt von Sauber. Keine 300 Meter von Mercedes entfernt, betritt man hier eine andere Welt: kaum VIP-Gäste, kaum Gedränge, kaum Glanz. "Die Leute aus meinem Umfeld schauen Formel 1 wegen mir. Aber ich bezweifle, dass sich viele 15- oder 20-Jährige am Sonntagnachmittag zwei Stunden vor den Fernseher setzen", sagt der Deutsche zum KURIER.
Die Teams
Noch unterschiedlicher als die Bedürfnisse der Fahrer sind nur die Interessen der derzeit zehn Teams. Mercedes will Autos verkaufen, Red Bull ein Image. Für beide ist die Formel 1 dazu eines von vielen Werkzeugen, für einen Traditionalisten wie Williams ist sie die einzige Geschäftsgrundlage – und zwar derzeit keine allzu gute. Mehr als die Hälfte der Teams ist chronisch unterfinanziert.
"Rennfahren sollte nichts Soziales haben", sagt allerdings Gene Haas. Der US-Unternehmer und Multimillionär ist seit dem Vorjahr mit seinem Privatteam am Start, vor allem zu Saisonbeginn schlug man sich prächtig: "Der sechste Platz in Australien war unbezahlbar, was den Werbewert betrifft."
Für ein Team wie Red Bull geht es um die Show, um das Extreme. "Der Fahrer muss wieder stärker in den Vordergrund und die Technik in den Hintergrund", fordert Teamchef Christian Horner. Hinter ihm flimmern Ausschnitte von zwei Red-Bull-Events über große Bildschirme: das Erzbergrodeo und das Seifenkistenrennen. Das Salzburger Unternehmen ist bekannt dafür, Grenzen auszuloten – zwischen Sport und Show, Kult und Klamauk.
In welche Richtung steuert künftig die Formel 1?
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