Drei Menschen, ein Traum: Formel-1-Weltmeister
Formel-1-Weltmeister wollen viele werden, doch nur die wenigsten kommen überhaupt in die Nähe der Königsklasse. Max Verstappen (18), Pascal Wehrlein (21) und Tatiana Calderón (23) haben bereits Hunderte Gegner hinter sich gelassen, und doch steht den drei Talenten das ganz große Duell noch bevor – nicht heute, wahrscheinlich morgen, vielleicht nie. Der Konkurrenzkampf auf und abseits der Strecke ist gnadenlos.
Eine Spurensuche am Rande des Grand Prix von Spanien.
Pascal Wehrlein: "Ein zweiter Platz ist schon eher schlecht"
Im letzten Jahr fuhr Pascal Wehrlein regelmäßig aufs Podest. Heuer wird er regelmäßig überrundet. Für den 21-jährigen Deutschen ist damit ein Bubentraum in Erfüllung gegangen: Der jüngste Meister in der Geschichte des Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) schaffte dank der Unterstützung von Mercedes den Sprung in die Formel 1.
Zwischengeparkt beim Kundenteam Manor will Mercedes überprüfen, wie Wehrlein in der Königsklasse über die Runden kommt.
KURIER: Herr
Wehrlein, ist die Formel 1 so, wie Sie sie sich als Bub erträumt haben?
Pascal Wehrlein: Ich bin noch nicht da, wo sein will. Ich will Rennen gewinnen und um die Meisterschaft kämpfen. Von dem her ist es noch nicht der ganz große Traum, der in Erfüllung gegangen ist.
Nach drei Jahren in der DTM ist hier so vieles neu für mich. Ich muss noch viel lernen, bis ich Rennen gewinnen kann. Aber allzu viel Geduld habe ich nicht.
Was macht mehr Spaß: in der DTM um Siege zu fahren oder in der Formel 1 hinterher?
Es kommt auf die Perspektive an. Ich könnte mir nicht vorstellen, 15 Jahre in der Formel 1 zu fahren und kaum eine Chance auf WM-Punkte zu haben.
Wie schwierig ist die Umstellung von der DTM?
Mental ist es eine riesige Umstellung, mit der ich noch nicht perfekt zurechtkomme. Ich war es gewohnt, immer konkurrenzfähig zu sein. Aktuell gilt nun für mich in der Formel 1: Wenn alles perfekt läuft, schaut vielleicht ein WM-Pünktchen raus.
Was vermissen Sie an der DTM?
Vermissen ist das falsche Wort, weil ich bewusst in die Formel 1 gegangen bin. Die Zweikämpfe in der DTM sind sehr cool – und die Nähe der Fans. Jeder Besucher darf in der DTM ins Fahrerlager, der Kontakt ist ganz speziell. Aber natürlich ist das so in der Formel 1 nicht möglich. Alonso oder Hamilton könnten keinen Meter laufen.
Ich stehe immer noch dazu. Ich fand es in der damaligen Situation einfach extrem unfair. Ich würde heute ähnlich reagieren. Man darf ja ruhig zeigen und sagen, wenn einem etwas stinkt.
Ist so eine Reaktion in der Formel 1 denkbar?
Ich denke schon, weil sie aus dem Bauch heraus kam. Wenn ich in der Formel 1 in der gleichen Situation wäre – ich kämpfe um die Meisterschaft und jemand fährt mir absichtlich ins Auto – dann wäre meine Reaktion sicher auch deftig. Vielleicht aber mit anderen Worten.
Sie verkörpern gemeinsam mit Max Verstappen die Zukunft der Formel 1. Er wurde gerade bei Red Bull befördert. Was sagen Sie zu der Rochade?
Bei Red Bull war der Konkurrenzkampf schon immer sehr groß. Der Schwächere bekommt dort schnell Probleme. Generell gilt in der Formel 1: Ein zweiter Platz ist schon eher schlecht.
Wie wichtig war für Ihre Karriere die Mercedes-Unterstützung?
Ich habe Mercedes alles zu verdanken. Sie haben mir immer eine Chance gegeben. Das ist schon viel wert.
Wie war die Zeit davor?
Als mit der Formel 3 der nächste Schritt bevorstand, war es für meine Eltern finanziell nicht mehr möglich. Wir reden hier nämlich von einer halben Million Euro pro Jahr.
Haben Sie lange überlegt, ob der Weg in die Formel 1 über die DTM der richtige ist?
Ich hab’ sehr lange überlegt, weil es nicht der übliche Weg ist. Meine Überlegung war: Sollte ich es nicht in die Formel 1 schaffen, aber die Möglichkeit haben, viele Jahre in der DTM unterwegs zu sein, dann ist das nicht die schlechteste Karriere im Motorsport. Es ist eine coole Serie, in der man auch etwas verdienen kann. Mein Idealszenario sah aber wie folgt aus: Ich gewinne den DTM-Titel zeitnah und empfehle mich. Denn ein 25-jähriger DTM-Champion interessiert in der Formel 1 niemanden. Klar war es ein Risiko, ich bin ja noch nie Tourenwagen gefahren.
Gab’s Alternativen?
Nicht wirklich. Ich hätte zu Mercedes sagen können: ,DTM fahre ich nicht!‘ Aber dann hätte ich Mercedes als Unterstützer verloren. Und dann hätte es mit meiner Karriere auch schnell vorbei sein können.
Wenn Sie den Rennfahrer Max Verstappen beleidigen wollen, dann sagen Sie bloß nicht: "Du fährst ja wie deine Mutter!" Der Niederländer wird das als Kompliment verstehen. Mutter Sophie Kumpen gewann mit dem Margutti-Pokal eine der wichtigsten Trophäen im Kartsport, sie setzte sich unter anderem gegen Jarno Trulli, später 252-facher Grand-Prix-Starter, durch. 1995 war das. Zwei Jahre später kam Max Verstappen zur Welt, dessen Vater Jos es immerhin auf 107 Formel-1-Rennen und zwei Podestplätze brachte.
Rennfahren liegt diesem Max Verstappen also im Blut. Manche sagen, das merkt man. Mit der Beförderung von Toro Rosso zu Red Bull fährt der Niederländer mit bereits 18 Jahren bei einem Topteam der Formel 1. "Red Bull hat Max die Chance gegeben, und das muss man mit Loyalität honorieren", sagt sein Vater und Manager Jos Verstappen.
Kein Vergleich
Sein Aufstieg war rasant. Kein Pilot war so früh so weit – kein Senna, kein Hamilton, kein Vettel. Bereits in seiner Debütsaison 2015 sorgte Verstappen für außergewöhnliche Momente.
Am Ende des Jahres erhielt er drei Auszeichnungen: Neuling des Jahres, Persönlichkeit des Jahres, Überholmanöver des Jahres. In Spa war er in der Vollgas-Kurve Blanchimot außen (!) an Sauber-Mann Nasr vorbeigezogen. Es war ein mutiges Manöver eines Buben, der damals noch nicht einmal den Führerschein hatte.
Das war bereits früh so. Mit vier Jahren saß Max Verstappen erstmals in einem Go-Kart, und Vater Jos gab ihm mit auf den Weg: "Ich habe Max von Anfang an klar gemacht: Wenn er im Kart sitzt, dann will ich, dass er einhundert Prozent gibt."
Als sie begann, ihren Traum zu leben, weinte Tatiana Calderón viel und oft. Die Kolumbianerin zog im Teenager-Alter von ihrer Heimat Bogotá aus, um in Madrid ihr Glück zu suchen. Alleine. Fremder Kontinent, fremde Kultur, fremde Menschen. Doch sie wusste: "Um in die Formel 1 zu kommen, muss ich nach Europa."
Sie ist noch ein gutes Stück davon entfernt – und doch ist sie ihrem Ziel heuer einen großen Schritt näher gekommen. An diesem Wochenende in Barcelona startet sie erstmals in der GP3-Serie, einer der beiden Vorstufen zur Königsklasse.
"Es sind aufregende Tage", sagt Tatiana Calderón, als sie den KURIER zum Gespräch im Truck ihres Teams Arden Racing empfängt, dessen Gründer und Mitbesitzer Red-Bull-Teamchef Christian Horner ist.
Schattenwelt
"Ich kann mir gerade keinen schöneren Ort vorstellen", sagt die 23-Jährige und lacht. Sie hat dafür viel aufgegeben: die Schule, viele Freundschaften. "Ich habe keinen Plan B", gibt sie zu. "Motorsport war das Einzige, das mich interessiert hat."
Es wird nicht einfach. Obwohl die Formel 1 gerne mit Frauen hinter dem Steuer kokettiert, ist ihr Geschlecht ein Hindernis, glaubt Calderón: "Wenn ein Team die Wahl zwischen einer Frau und einem Mann hat, die beide gleich schnell sind, dann kommt der Mann zum Zug."
In Susie Wolff, die zuletzt als Testfahrerin einem Formel-1-Cockpit nahe kam, hat sie eine Mentorin gefunden. "Sie versteht es, wenn ich sage: ‚Schau, was mir die Männer wieder für einen Unsinn einreden wollen!‘"
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