Rad-Ass Felix Großschartner: "Oft reicht ein Wimmerl am Hintern"
Der Oberösterreicher stellt sich dem Giro d’Italia. Warum der 27-Jährige schlechtes Wetter liebt, einen frühen Sturz fürchtet und Wimmerln am Hintern hasst
Felix Großschartner nimmt ab Samstag seinen dritten Giro d’Italia in Angriff. Bei der Generalprobe für die berühmte Italien-Rundfahrt, der Tour of the Alps, konnte der 27-jährige Welser eine Etappe gewinnen. Dürfte Felix Großschartner Wettergott spielen, dann würde sich in den kommenden drei Wochen ein heftiges Tief über Italien formieren. „Regen und vier Grad – das sind meine Verhältnisse. Ich bin ein Schlechtwetterfahrer“, erklärt der Profi aus dem Bora-hansgrohe-Team.
Man möchte eigentlich meinen, dass Radfahrer Kälte und Regen hassen.
Wenn es zehn Tage hintereinander nur regnet, dann zehrt das natürlich schon am Körper und an der Substanz. Mir ist das aber lieber als die 40 Grad, die wir teilweise bei der Vuelta haben. Ich stecke die Kälte sehr gut weg und bin auch keiner, der da groß herumjammert. Aber es gibt mehrere Profis, die so ticken.
Sie waren bei der Tour de France, der Vuelta und dem Giro im Einsatz. Wie unterscheiden sich die drei großen Rundfahrten?
Die Tour ist halt die Tour, da geht in unserem Sport einfach nichts drüber, das ist das größte Event. Dort hast du schon noch einmal ein anderes Feeling. Das spürst du in jedem Moment, weil rundherum viel mehr los ist. Ich habe den Eindruck, dass bei der Tour auch viel hektischer gefahren wird als zum Beispiel bei der Vuelta. Dort ist es extrem relaxed.
Woran liegt das?
Vielleicht weil die Vuelta die letzte große Rundfahrt im Jahr ist und dort fast nur noch Bergspezialisten fahren. Da ist dann gleich viel weniger Stress und Unruhe im Feld.
Und was macht den Giro so speziell?
Vor allem die Länge der Etappen. Und diese Etappen sind nicht nur extrem lang, sondern auch brutal schwer.
Das scheint Ihnen nicht wirklich Respekt einzuflößen.
Das stresst mich heute nicht mehr. Du darfst auch nicht zu viel nachdenken, was während so einer Rundfahrt alles passieren kann. Da machst du dich nur narrisch.
Was wären denn so unliebsame Überraschungen?
Blöd wäre es zum Beispiel, wenn’s dich gleich am dritten Tag schmeißt. Das kostet so viel Energie. Dann schläfst du schlechter, weil du eine offene Wunde hast. Und dann ist so eine Rundfahrt vom Start weg eine Qual. Du spürst auf einmal deinen ganzen Körper, und es tut dir alles weh. Da willst du dann oft gar nicht richtig massiert werden, weil die Etappe fünf Stunden schon so wehgetan hat, dass du auf dem Massagetisch nicht noch eine Stunde Schmerzen erleben möchtest. Da willst du dann nur noch deine Ruhe.
Was sind so die schlimmsten Schmerzen für einen Radprofi?
Wenn der Hintern wehtut. Sitzprobleme sind ein echter Scheiß.
Wie kann man sich das vorstellen?
Oft reicht schon ein kleiner Pickel am Hintern. Ein Wimmerl. Dann rutschst du auf dem Sattel herum, änderst die Haltung auf dem Rad – und auf einmal zwickt deshalb auch noch der Rücken.
Sie scheinen zu wissen, wovon Sie reden.
In den vergangenen Jahren hat mir das immer ziemliche Probleme bereitet. 2019 bei der Vuelta hat’s schon am ersten Tag angefangen. Da hatte ich steinharte Golfbälle am Hintern. Da kannst du nicht mehr richtig sitzen.
Sie sind die Vuelta damals aber zu Ende gefahren.
Dass ich da nicht aufgegeben habe und ins Ziel gekommen bin, war mental richtig stark. Es hat ja keiner eine Ahnung, wie abartig so etwas nervt. Jeden Tag denkst du dir vor der Etappe: Ah geh, jetzt muss ich mich wieder aufs Rad setzen.
Was kann man gegen solche Sitzprobleme tun?
Teilweise habe ich in einem halben Jahr vier Mal den Sattel getauscht. Wichtig ist, dass man den Hintern viel mit Salben einschmiert. Damit die Haut schön feucht ist und nicht austrocknet. Massagen helfen da leider nichts.
Sie sind jetzt 27. Sitzen Sie heute anders auf dem Rad als noch als Jungprofi?
Ganz sicher sogar. Ich fahre heute viel schlauer, auch viel ökonomischer. Weil ich inzwischen weiß, wie ich am besten Kräfte und Energie sparen kann. Ich kann im Feld auch Situationen besser einschätzen und bin durch die Jahre cooler geworden.
Welche Rolle sollen Sie beim Giro einnehmen?
Ich soll in erster Linie meinen Teamkollegen Emanuel Buchmann unterstützen, weil der in Richtung Gesamtklassement fährt. Grundsätzlich habe ich freie Hand und kann auf Etappensiege losgehen.
Was wartet nach dem Giro?
Die Vuelta. Und hoffentlich davor noch Olympia.
Sind Sie schon geimpft?
Noch nicht. Der erste Termin wäre in dieser Woche gewesen, aber vor dem Giro d’Italia hätte es keinen Sinn gemacht. Der Plan wäre, dass ich gleich nach dem Giro meine Impfung kriege.
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