Sechs Jahre verbrachte Handball-Teamchef Ales Pajovic in Spanien, mit Ciudad Real wurde er Meister und Champions-League-Sieger. Gefragt danach, was er außer Trophäen noch aus seiner Zeit im Süden mitgenommen hat, antwortet der Slowene: „Den Lebensstil und die Vorliebe für die Siesta.“
Wer dem 41-Jährigen nun einen Hang zur Trägheit nachsagen will, der irrt. Neben seiner Offenheit zeichnet Pajovic sein Arbeitseifer aus. Er weiß längst alles über den nächsten Gegner in der EM-Hauptrunde, wenngleich es mehr Stärken als Schwächen zu analysieren gibt vor dem Duell mit Titelverteidiger Spanien am Samstag (18.15 Uhr/live ORF1). Der amtierende Europameister ist bisher mühelos durch das Turnier spaziert, eine Ausnahmeleistung in der Vorrunde gegen Deutschland genügte, um sich erneut in die Mitfavoritenrolle für eine Medaille zu werfen.
Bei Spanien und Sport denkt man freilich nicht zu allererst an Handball. Tun die Spanier auch nicht wirklich. Und sie haben jede Menge gute Gründe dafür.
Das liegt in erster Linie an König Fußball, der in Spanien noch ein bisschen königlicher ist. Real Madrid und der FC Barcelona sind längst zu Weltmarken im Rang von Louis Vuitton oder Porsche aufgestiegen. Echte Luxusgüter.
Die aktuellen Medaillen der spanischen Nationalteams:
Den spanischen Fußball jetzt nur auf seinen Glamourfaktor zu reduzieren, wäre unseriös. Die Klubs und das Nationalteam waren im vergangenen Jahrzehnt stilbildend für das Spiel und eine Zeit lang auf internationaler Ebene kaum zu besiegen. Und wenn die Stars – wie in den letzten Monaten – eine kleine Krise durchleben, ist rasch Ersatz gefunden. Die Damen des FC Barcelona standen im Mai im Finale der Champions League.
Vom finanziellen Erfolg der Fußballklubs profitieren auch die anderen Sportarten. Bei Real Madrid sind dies in erster Linie die Basketballer, bei Barcelona die Handballer. Im internationalen Vergleich verfügen die Klubs über hohe Budgets. Die Katalanen konnten deshalb zuletzt für den kroatischen Weltklasse-Handballer Luka Cindric eine Ablöse in Millionenhöhe zahlen – eine Seltenheit im Handball. Der Erfolg gibt den Spaniern recht: In den jüngsten 30 Jahren sicherten sich spanische Vereine 15 Mal den Sieg in der Champions League.
Der vielleicht größte Coup gelang dem Land zuletzt im Basketball. Bei der Weltmeisterschaft im Spätsommer in China holte das Team die Goldmedaille, kurz vor Jahreswechsel hätten die Handballerinnen beinahe nachgelegt: Bei den Titelkämpfen in Japan fanden die Spanierinnen erst im Endspiel in den Niederlanden ihre (Welt-)Meisterinnen.
Solo-Spitze
Doch nicht nur im Teamsport ist das 47-Millionen-Einwohner-Land eine Macht, auch Solo ist Spanien Spitze. Sowohl im Golf (European Tour) als auch im Tennis (ATP Tour) stellte Spanien mit Jon Rahm und Rafael Nadal die Besten am Jahresende. Letzterer war es auch, der nach Ende seiner erfolgreichen Einzelsaison (zwei Grand-Slam-Siege) sein Land zum Sieg im Daviscup führte. Insgesamt hält Spanien im traditionsreichen Länderwettstreit bei sechs Erfolgen.
Gar eine Art Landesmeisterschaft mit internationaler Beteiligung ist die Motorrad-WM. In der Königsklasse MotoGP fanden sich am Saisonende drei Spanier unter den Top vier. Über allen thront Marc Márquez: Der erst 26-Jährige hält aktuell bereits bei acht WM-Titeln und dürfte schon bald alle Bestmarken seines Sports brechen.
Für frisches Personal ist bereits gesorgt. In den Moto2- und Moto3-Klassen kommt die Mehrheit der Nachwuchsfahrer aus Spanien.
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