Dominic Thiem hat keine Chance

"Ein Sportland im international vergleichbaren Sinne ist Österreich deshalb noch lange nicht geworden".

Patrioten sind in ihrem rot-weiß-roten Element, was bei der vom „Immer wieder Österreich“-Chor stets textsicher untermalten Fahnenschwingerei erlaubt und sogar erwünscht ist, solange die Begeisterung nicht vom Nationalismus aufgefressen wird. Das Fußball-Nationalteam hat sich in der Endabrechnung doch souverän für die EM 2020 qualifiziert, Tennis-Ass Dominic Thiem im weltweiten Ranking bis auf Position vier durchgeschlagen. Derartige Erfolge nähren das Selbstwertgefühl, Sportprofis führen stellvertretend vor Augen, wovon der Laie nur träumt.

Ein Sportland im international vergleichbaren Sinne ist Österreich deshalb noch lange nicht geworden. Zu wankelmütig ist die Begeisterungsfähigkeit, das leidenschaftliche Pendeln zwischen Himmel und Hölle verlangt traditionell die Mentalität.

Dominic Thiem lieferte in den vergangenen Tagen viele Momentaufnahmen. Ein Spiel als Psychogramm, die sichtbaren Emotionen in Augenblicken des kurzfristigen Versagens oder punktgenauer Schlagfertigkeit, immer dem millionenfachen Vorurteil ausgesetzt, Verlierer oder Gewinner zu sein.

Aber nie bietet sich ihm auf dem Platz die Chance, als Blender durchzugehen, gnadenlos würde jede vollmundige Ankündigung dem Wahrheitsbeweis unterzogen sein, nackte Ergebniszahlen schnüren das Korsett der ständigen Messbarkeit.

Und genau das macht einen Typen wie Thiem in Wahrheit so faszinierend. Seine Rolle unterscheidet sich so wohltuend von manch anderen in der Öffentlichkeit stehenden Selbstdarstellern, die immer gewinnen, wenn der Schein gegen das Sein Matchball hat.

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