Der Fall Timanowskaja: Zwischenlandung in Wien mit viel Brisanz
Der kleine blonde Bub auf der Besucherplattform des Wiener Flughafens machte große Augen. „Da stehen aber viele Kameras.“ Seine Mutter erklärte ihm, dass eine belarussische Sportlerin direkt von den Olympischen Spielen erwartet wird, die in Wien Zwischenstopp macht, um nach Polen zu fliegen, wo sie Asyl beantragt hat. Der Bub drehte sich um und bestaunte wieder die vielen Flugzeuge.
Um 15 Uhr setzte der AUA-Flug OS 052 in Schwechat auf und dockte an Gate F5 an. Fahrzeuge der Polizei und ein schwarzer VIP-Van warteten schon auf den prominenten Gast, die belarussische Leichtathletin Kristina Timanowskaja, die in den VIP-Bereich der General Aviation befördert wurde. Dort machte sie für zweieinhalb Stunden Station, ehe sie nach Warschau weiterflog.
Müde in Sicherheit
Staatssekretär Magnus Brunner wechselte mit der 24-Jährigen die ersten Worte: „Sie ist jetzt hier in Sicherheit, es geht ihr gut. Natürlich ist sie nach den Geschehnissen der letzten Tage müde und in Sorge um ihre Familie.“
Die ursprüngliche Route wurde aus Sicherheitsgründen kurzfristig geändert. Denn der Flug nach Warschau wäre über belarussisches Gebiet erfolgt, Timanowskaja wurde auf die AUA-Maschine umgebucht und von Securities begleitet.
Die wirre Reise hat am Sonntag angefangen. Funktionäre des belarussischen Verbandes wollten die Sportlerin gegen ihren Willen in den Flieger in Richtung Heimat setzen. Man packte ihre Koffer und verfrachtete sie in ein Auto Richtung Flughafen. Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja sollte später via Twitter von Kidnapping sprechen. Im Flughafen in Tokio aber wandte sich Timanowskaja an die japanischen Sicherheitsbehörden und begab sich in deren Gewahrsam.
Timanowskaja landet in Wien
Sie sandte per Videobotschaft einen Hilferuf an das Internationale Olympische Komitee. Innerhalb weniger Stunden war aus einer Sportlerin eine Staatsfeindin geworden und ein Thema internationaler Politik.
Die Geschichte von Kristina Timanowskaja begann als Dopinggeschichte ohne ihr Zutun. Drei belarussischen Leichtathletinnen wurde die Teilnahme an den Spielen verwehrt, weil bei ihnen zu wenige Dopingtests durchgeführt worden waren. Darunter waren zwei Läuferinnen der 4x400-Meter-Staffel.
Die Trainer setzten die 200-Meter-Spezialistin Timanowskaja ohne deren Wissen auf die Teilnehmerinnenliste für die Staffel. Darüber äußerte die Sprinterin auf Instagram ihren Unmut. Die Kritik an den Trainern wurde in belarussischen Medien wie Landesverrat verhandelt. Timanowskaja beriet sich mit Freunden und ihrem Mann und entschloss sich im Flughafen, sich in die Obhut der japanischen Polizei zu begeben.
Berechtigte Angst
Die Angst Kristina Timanowskajas vor Repressalien ist nicht unbegründet. Sportlerinnen, die sich an den Protesten gegen die Wahlfälschungen beteiligt haben, mit denen sich Langzeitpräsident Alexander Lukaschenko im vergangenen Jahr eine weitere Amtszeit erschlichen hat, wurden aus Kaderlisten entfernt oder landeten hinter Gittern. Ihr Mann hat sich unterdessen in die Ukraine abgesetzt.
In Wien machte Magnus Brunner klar, dass das österreichische Außenministerium seine Hilfe schon am Sonntag angeboten hat. „Die Zusammenarbeit der Außenministerien von Österreich und Polen war sehr gut.“ Timanowskaja suchte nach ihrer Landung in Wien nicht um Asyl in Österreich an.
Ankunft in Polen
Die belarussische Leichtathletin Kristina Timanowskaja ist am Mittwoch in Warschau eingetroffen. Die Maschine der Fluglinie LOT landete am Abend auf dem internationalen Chopin-Flughafen der polnischen Hauptstadt. Die 24-Jährige erhielt von Polen ein humanitäres Visum. Timanowskaja hatte sich zuvor nach einem Flug aus Tokio mehrere Stunden im Transitbereich des Flughafens Wien aufgehalten. Laut Wiener Außenamt stellte sie bei ihrer Zwischenlandung aber keinen Asylantrag.
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