Das Tennis-Imperium von Roger Federer

TENNIS-GBR-ATP-FINALS
Wie der Schweizer auch abseits der Centre Courts den Sport verändert. Donnerstagabend muss er gegen Djokovic siegen.

Als Roger Federer 2002 zum ersten Mal beim Saisonfinale der besten acht Tennisprofis aufschlug, war Stefanos Tsitsipas, einer der sieben Kontrahenten des Schweizers bei den diesjährigen ATP Finals, zarte vier Jahre alt.

Vielleicht strahlte der Grieche deswegen auch voller Stolz, als er im Vorfeld des Turniers bei der täglichen Bootsfahrt über die Themse zum Spielort in London einen Schnappschuss mit Federer schoss. So nah würden Millionen dem mittlerweile 38-Jährigen gerne kommen. Rund 1.000 Menschen zahlen kommende Woche gar ein kleines Vermögen, um Federer live zu erleben. Jedoch nicht auf einem Tennisplatz, sondern bei einem Galadinner. Im Rahmen der „Roger Erfahrung“ werden Super-VIPs einen Abend lang vom Schweizer Star in Argentinien unterhalten werden.

Für Federer ist nach dem letzten Aufschlag in London nämlich noch lange nicht Schluss. Während Novak Djokovic, der ihm Donnerstagabend (21 Uhr MEZ) im großen Showdown um das zweite Halbfinalticket gegenübersteht, irgendwo in der Wärme seinen müden Körper entspannt, besteigt der Schweizer einen Privatjet und tourt durch fünf Länder in Süd- und Mittelamerika.

Begleitet wird er bei den Schaukämpfen von Alexander Zverev, was den beiden einiges an Kritik einbrachte. Denn wie auch Federer verzichtet der Deutsche deshalb auf das ab 18. November erstmals ausgetragene Finalturnier des Daviscups in Madrid. Man kann Zverev Befangenheit unterstellen, immerhin steht der 23-Jährige seit Kurzem bei jener Managementagentur unter Vertrag, die Federer selbst gegründet hat.

Mit Team 8 hat der Rekordsieger bei Grand-Slam-Turnieren (20) seit 2013 die komplette und alleinige Kontrolle über seinen Spielplan und seine Vermarktung.

Mittlerweile geht es Federer aber nicht mehr ausschließlich um persönliche Anliegen. Im Gegensatz zu seinem Freund und Langzeitrivalen Rafael Nadal, der sein imposantes Erbe in dessen Akademie auf Mallorca verwalten wird, dürfte Federer das Geschehen im Tenniszirkus auch weit nach seinem Karriereende mitbestimmen. Neben Zverev vertritt die Agentur etwa auch die neue Hoffnungsträgerin im Damen-Tennis, die Amerikanerin Coco Gauff.

Weiteren Einfluss gesichert hat sich Federer zudem im Sommer mit der Rückkehr in den ATP-Spielerrat nach fünfjähriger Abwesenheit.

Der wahre Coup gelang ihm aber mit dem Laver Cup. Den jährlichen Teamwettstreit zwischen einer Welt- und einer Europaauswahl etablierte Team 8 gemeinsam mit dem australischen Tennisverband im Jahr 2017.

Dieser Erfolgsgeschichte nicht entziehen konnten sich auch die Spielervereinigung ATP und der Weltverband ITF. Beide nehmen bei den Planungen längst Rücksicht auf den Laver Cup. Wirkung zeigte das Entgegenkommen bei Federer kaum. Nach dem Daviscup verkündete der Star unlängst, auch die zweite Konkurrenzveranstaltung, den neu eingeführten ATP-Cup für Nationalteams im Jänner, auszulassen.

Offizielle Begründung für die Absage: Federer wolle vor den Australian Open mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Stattdessen geht es vor dem Jahreswechsel zu Schaukämpfen nach Asien.

Kritik, so es sie gibt, fällt leise aus. Zu wichtig ist der 103-fache Turniersieger als Ticketseller und globaler Botschafter der Sportart. Hinter vorgehaltener Hand heißt es bei Managern und Veranstaltern jedoch: Federer hat immer recht.

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