Daniil Medwedew brachte in diesem Jahr 2019 bei den US Open das Publikum mit einem Schlägerwurf und Unfreundlichkeiten gegen Balljungen gegen sich auf. Das Publikum pfiff, der Russe zeigte den Mittelfinger und sagte: „Ich habe wegen euch gewonnen.“ Fortan spielte er gegen die Fans – und sich selbst ins Finale.
„Die Frage ist, wie du damit umgehst“, sagt der Mentalcoach Axel Mitterer, der in mehreren Sportarten tätig war und seit fünf Jahren im Skigymnasium Stams in Tirol arbeitet. Einer seiner Schützlinge war Tennis-Profi Daniel Köllerer, dem man nicht zwingend attestieren konnte, ein beliebter Sportler zu sein. „Wir haben eben daran gearbeitet, es bringt nichts, wenn man sich aufregt“, sagt der Tiroler. Ein Versuch war die imaginäre „Käseglocke“, die man sich über den Kopf gibt. „Die Arbeit fruchtet dann, weil der Sportler nichts mehr hört. Sehen tut er freilich alles.“
Mitterer kennt aber auch andere Beispiele von Sportlern, die das sogar motivierte, wenn die Zuschauer gegen einen sind. Horst Skoff zum Beispiel in Monte Carlo. Der Kärntner gewann damals einige Partien und sagte zum Publikum: „The more you whistle, the better I play.“ („Je lauter ihr pfeift, desto besser spiele ich“).
Eigene Kultur gebildet
Spitzensport und Publikum, Höchstleistung unter Lautstärke. Die Profis reagieren unterschiedlich darauf, die Sportarten haben ihre eigene Kultur entwickelt.
Anfang Jänner wurde der Darts-Weltmeister gekürt. Im „Ally Pally“ geht es dabei zu wie bei einer Mischung aus Cabaret und Kirtag. Vor allem im Präzisionssport Darts sind die Spieler den Zuschauern ausgeliefert. Dem Wiener Mensur Suljovic gingen im Gegensatz zu anderen in der Corona-Zeit die Fans nicht ab. „Die Fans sind vielleicht gut für die Stimmung, aber nicht für mich. Ich bin froh, dass es ruhiger zugeht.“
Corona eignete sich gut für den Fan-Vergleich. In der Fachzeitschrift „Psychology of Sport and Exercise“ wurde eine Untersuchung zum Biathlon veröffentlicht. Die Männer liefen ohne Zuschauer langsamer, Frauen schneller. Am Schießstand waren Frauen in Anwesenheit von Fans besser, die Männer hingegen schossen vor Fans langsamer und ungenauer als vor leeren Rängen.
Es hängt auch von der Persönlichkeit ab, wie gut ein Sportler das Spiel mit der Menge beherrscht. Andreas Goldberger war stets nahe bei den Fans. Der Weltklasseskispringer wurde vor 28 Jahren Weltmeister im Skifliegen. Wie dieses Jahr Ende Jänner fand die WM am Kulm in Bad Mitterndorf statt. Goldberger holte Gold mit seinem letzten Flug hinunter in den Schanzenauslauf, wo 60.000 Fans auf ihn warteten. „Ich habe es immer positiv gesehen, dass mich die Fans unterstützen wollten. Es gibt doch nichts Geileres. Ich springe doch lieber vor 60.000 Fans am Kulm als vor 300 in Predazzo“, sagte er im KURIER-Interview.
Eine Sache der Tradition
Aber es gibt auch Sportler, die am Druck des Publikums zerbrechen. Der Franzose Renaud Lavillenie lieferte sich bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio im Stabhochsprung ein Duell mit dem Brasilianer Thiago Braz da Silva. Die Fans pfiffen Lavillenie unentwegt aus, Braz da Silva gewann, das Publikum jubelte, Lavillenie weinte bitterlich.
Warum es in manchen Sportarten ständig laut ist, während es im Tennis zumindest bei den Ballwechseln und vor den Aufschlägen ruhiger sein sollte? „Das ist eben Tradition“, sagt Mentalcoach Mitterer. Im Darts ist es auch im Training laut. Und die Spieler wissen, sie verdienen nur deshalb soviel Geld, weil die Leute so schreien.“
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