Westermann: "Meine Knochen sind top"

Heiko Westermann in seiner neuen Wäsche.
Austrias neuer Routinier über seine bewegte Karriere, kranke Summen und Trainer Fink.

Am Sonntag feierte Heiko Westermann bei der 0:3-Niederlage in Altach sein (missglücktes) Bundesliga-Debüt im Austria-Trikot. Zuvor nahm sich der 33-Jährige Zeit für ein ausführliches Gespräch.

KURIER: Austria Wien, ist das der Herbst Ihrer Karriere?

Heiko Westermann: Keine Ahnung. Klar bin ich nicht mehr jugendlich, klar geht es langsam dem Ende zu. Deshalb schaue ich nicht groß voraus. Austria ist ein toller Klub. Meine Knochen sind noch top. Das ist in diesem Alter das Wichtigste.

Müssen Sie jetzt mehr für Ihre Fitness tun als früher?

Das habe ich schon immer gemacht. Viel Schlaf, gut ernähren. Je älter man wird, desto wichtiger ist das.

Wollen Sie sich bei der Austria noch etwas beweisen?

Wichtig ist mir der Erfolg. Persönlicher Erfolg ist für mich, wenn wir als Mannschaft ein Ziel erreichen.

Sie sind sicher nicht des österreichischen Cups wegen gekommen. Zählt für Sie in erster Linie der Europacup?

Natürlich ist der das oberste Ziel. Man muss dann schauen , wie sich die Saison entwickelt. Ob wir am Ende in der Liga etwas reißen, das kann ich jetzt nicht sagen.

Warum haben Sie den Ruf von Thorsten Fink erhört?

Ich fand ihn als Trainer super, auch als Mensch. Beim Hamburger SV war er der einzige Trainer, unter dem wir wirklich Spaß hatten. Und erfolgreich waren wir auch mit einer durchschnittlichen Mannschaft. Es war meine schönste Zeit beim HSV.

Was zeichnet Fink aus?

Er gibt den Spielern das Gefühl, dass sie für ihn durchs Feuer gehen können.

Also bedurfte es keiner großen Überredungskunst?

Dass es so klappt, hatte ich auch nicht geahnt. Ich suche mir jetzt Vereine, wo es familiärer zugeht. Es geht nicht mehr um das Riesending mit Geldverdienen.

Mit Schalke und dem HSV hatten Sie Klubs mit extrem hohen Ansprüchen. Zermürbt so etwas?

Wenn ich jetzt Interviews von damals lese, denke ich: Du warst ja nicht bei dir.

Wieso denn das?

Es war eine extreme Drucksituation. Vor allem beim HSV. Schalke war ja eine erfolgreiche Zeit mit zwei Vizemeisterschaften. Aber Hamburg ist ja auch die Medienstadt, da kommt alles zusammen. Der Druck war enorm, ich war über zwei Jahre Kapitän. Da passieren Dinge, die man jetzt anders machen würde. Die Zeit hat mich geprägt, ich sehe jetzt vieles lockerer. Ich habe alles mitgemacht im Fußball.

War der HSV die brutalste Erfahrung?

Ja. Aber auch Ajax auf eine spezielle Art. Ich habe 15 Jahre lang fast jedes Spiel absolviert. Und dann kommst du zum Verein und spielst von heute auf morgen nicht, egal wie du trainierst. Ajax ist ein Ausbildungsverein, ich sollte die Jungen unterstützen. Das war zwar ausgemacht, aber ich dachte schon, dass ich mich auch diesmal durchsetzen werde. Die ersten Monate waren hart. Aber so habe ich eine andere Seite gesehen. Wir hatten beim Training jedenfalls viel Spaß, ich habe mich gern um die Talente gekümmert.

Sie waren in schönen Städten: Hamburg, Sevilla, Amsterdam, jetzt Wien. War das ein Faktor bei der Vereinswahl?

Schon zu 20 bis 30 Prozent, weil sich meine Familie wohlfühlen muss. In erster Linie war der Verein wichtig, auch die Stadien und die Fans. Es war immer eine Bauchentscheidung, das Gefühl musste passen. In diesem Fall hat Wien eine große Rolle gespielt, weil es eine meiner Lieblingsstädte ist. Dazu der Klub, der Trainer, die Aussicht auf den Europacup.

Wie beurteilen Sie die Summen, die heute im Fußball gezahlt werden?

Es ist utopisch. Im Urlaub saß ich mit einem Freund zusammen, auch ein ehemaliger Teamspieler. Er hat gesagt: Stell dir vor, wir würden unsere früheren Verträge heute unterschreiben. Damals sind wir für zehn Millionen Euro gewechselt, heute wären es 40 oder 50.

Nimmt das irgendwann einmal auch ein Ende?

Muss es. So wie in anderen Bereichen des Lebens. Bis eine Blase platzt. Das Marketing wird immer wichtiger, die Leute schauen auch überall Fußball. Wenn ein Verein einen Superstar verpflichtet, dann verkaufen sie gleich zehn Millionen Trikots. Das rechnet sich dann.

Haben Sie um zehn Jahre zu früh gespielt?

Nein, das war schon eine tolle Zeit, ich habe so viele Dinge mitgenommen.

Was zum Beispiel?

Es gibt Wichtigeres. Nehmen wir den Herzstillstand von Ajax-Spieler Nouri, mit dem ich zusammengearbeitet hatte. Ich war geschockt. Da sieht man, wie schnell das aktuelle Leben vorbei sein kann. Fußball ist nur eine schöne Begleiterscheinung.

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