Rapid-Boss Krammer: "Die Fehlerkette umfasst alle"

Bilanz: Rapids Präsident Krammer spricht über Fehler, Ziele und die Titelfrage.
Michael Krammer startet am Montag in seine zweite Periode als Rapid-Präsident. Was war in den ersten drei Jahren gut? Was läuft falsch? Und was hat der Mobilfunk-Manager noch vor?

Rapid lädt erstmals im Allianz Stadion zur Hauptversammlung. Für das Stadionprojekt wird Michael Krammer von den Mitgliedern Lob bekommen, für die sportliche Misere ist am Montagabend hingegen Kritik zu erwarten. Vor der Wiederwahl als Präsident stellt sich der 56-Jährige einem Bilanzgespräch.

KURIER: These: Wenn Vorgänger Edlinger noch im Amt wäre, wären auch Trainer Barisic und Sportdirektor Müller weiterhin bei Rapid. Der Verein hätte sich viel Geld und Ärger erspart. Der Platz in der Tabelle wäre auch nicht schlechter. Ist das falsch?

Michael Krammer: Wenn ich das widerlege, wäre es genauso eine Hypothese wie Ihre.

Aber warum ist es aus Ihrer Sicht besser, so gehandelt zu haben?

Weil wir nicht nur fürs Hier und Heute arbeiten, sondern vor allem für die Zukunft. Die Entwicklung war eine, die mit Beginn 2016 nach unten gezeigt hat. Deswegen mussten wir handeln.

Ist die Talsohle mit Europacup-Aus und Liga-Platz 5 erreicht?

Ich glaube fest daran, dass wir spätestens Anfang kommenden Jahres die Talsohle durchschritten haben werden.

Rapid-Boss Krammer: "Die Fehlerkette umfasst alle"
ABD0090_20151112 - WIEN - ÖSTERREICH: v.l.n.r Geschäftsführer des SK Rapid Wien, Christoph Peschek, Präsident Michael Krammer, Trainer Zoran Barisic, Stefan Schwab und Steffen Hofmann anl. der Gleichenfeier bei SK Rapid Wien im Allianz Stadion am Donnerstag, 12. November 2015, in Wien. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER
Zoran Barisic hat sich geweigert, den Satz "Das Ziel ist der Titel" öffentlich zu sagen. Sein Nachfolger Mike Büskens hatte großes Bauchweh dabei. Warum musste diese Ansage unbedingt sein?

Vor Beginn der Saison 2015/’16 sind wir mit dem Sportdirektor und dem Trainerteam zusammengesessen, um die Ziele zu besprechen. Nach einer Saison, in der wir ab Runde acht mehr Punkte geholt hatten als Salzburg. Die Spieler waren für den Titel als Ziel. Die Trainer nicht. Ich habe das akzeptiert. Das Ergebnis war wieder Platz zwei. Diese Methode ist also schiefgegangen.

Auch heuer gibt Salzburg noch doppelt so viel für Spieler aus.

Es sagt ja niemand: "Wir müssen Meister werden." Wir wollen! Dafür haben wir die finanziellen Schleusen geöffnet: Die Kaderkosten durften überzogen werden, der Transfersaldo ist negativ, das Stadion wurde eröffnet. Dann verkünden wir auch das Ziel, für das alle arbeiten: Wir wollen Meister werden.

Psychologisch hat das allerdings wie ein schwerer Rucksack gewirkt.

Jeder will bei Rapid Meister werden. Es wäre absurd, wenn das der Präsident nicht sagen soll, weil das ein Rucksack sein kann.

Neben der sportlichen Misere gibt es einen Rekordgewinn und das Allianz Stadion. Müssen Sie sich eingestehen, dass im Sportlichen die Fehlerquote bei Rapid viel höher liegt?

Ja, das muss ich. Woher kommt diese Fehlerquote? Vielleicht hat das Präsidium Personalentscheidungen zu früh, zu spät oder falsch getroffen. Es ist jedenfalls eine Fehlerkette. Und diese Fehlerkette umfasst alle – bis zu den Spielern. Im Fußball geht es anders als in der Wirtschaft mehr um Psychologie. Und da hat seit dem Jahresbeginn einiges nicht gepasst.

2013 wurden von Ihnen sieben Säulen präsentiert. Die meisten Ziele wurden erreicht, nur die Internationalisierung ist nach der gescheiterten Kooperation mit Juventus nicht vom Fleck gekommen. Haben Sie die Internationalisierung aufgegeben?

Nein, das wird ein Schwerpunkt bis 2019! Wir haben viel gelernt. Beim neuen Konzept geht es darum, wo unsere Zielmärkte sind und wie wir die Talente wirklich zu uns bekommen.

Wie lauten die Hauptziele für die zweite Amtszeit?

Wir wollen überprüfen, ob die Umwandlung der SK Rapid GmbH in eine Aktiengesellschaft vorteilhaft ist. In eine nicht börsennotierte, wie ich aus historischen Gründen gleich betone! Die Nachwuchsarbeit wollen wir so gestalten, dass wir ein Magnet werden für die größten Talente. Auch für jene aus unseren Zielmärkten. Dafür ist das neue Trainingszentrum nötig und die Internationalisierung. Wir wollen nachhaltig erfolgreich sein.

Was bedeutet das?

Wir können bis 2019 in die Nähe der Top 50 kommen. Aber dort bleiben? Das können wir derzeit nicht sicherstellen. Da wird angesetzt.

Rapid-Boss Krammer: "Die Fehlerkette umfasst alle"
ABD0145_20160609 - WIEN - ÖSTERREICH: v.l.n.r Geschäftsführer Christoph Peschek (Wirtschaft), Präsident Michael Krammer, Trainer Mike Büskens und Geschäftsführer Andreas Müller (Sport) während der Pressekonferenz Donerstag, 09. Juni 2016, in Wien. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER
Als die Idee zum Handy-Fan-Tarif "Rapid mobil" aufkam, meinten Sie auf die Frage nach Ihrer Firma: "Wir können das nicht abwickeln. Dafür sind wir zu klein." Warum läuft es jetzt doch über Ventocom?

Weil wir 2013 den Markteintritt vorbereitet haben und damals noch nicht wussten, dass wir drei Jahre später das in unserer Sparte am schnellsten wachsende Unternehmen Europas sein würden. Wir machen das zu reinen Selbstkosten, der gesamte Gewinn geht an Rapid.

Der Präsident verdient sich künftig also keine goldene Nase mit den Rapid-Fans?

Nein! Das wird auch jährlich von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer zertifiziert werden, dass wirklich nur die Lizenzkosten und die technische Einrichtung an Ventocom bezahlt werden.

Sie sind ja nicht bei der Caritas. Was hat dann Ventocom davon?

Es gibt eine Kooperation mit Rapid, Ventocom bekommt lediglich ein paar VIP-Karten im Stadion für Mitarbeiter und Kunden.

Sie haben der Bundesliga-Spitze im KURIER ausgerichtet, dass dort "niemand Marketing buchstabieren kann". Die Bundesliga-Reform kommt trotzdem. Waren diese scharfen Worte deplatziert?

Diese Worte haben ihren Zweck erfüllt: Die Reform kommt erst 2018, so wie wir es gefordert haben und wie es Sinn macht, weil dann der TV-Vertrag endet. Und: Es gibt bei der Reform einen offensiveren Ansatz, also den Versuch, die Anzahl der Profivereine nach der Umstellung auf die 12er-Liga wieder zu erhöhen.

Sie wollten bis zur Wiederwahl 10.000 neue Mitglieder gewinnen. Geht sich das aus?

Nein, es wurden über 8500 neue Mitglieder gewonnen. Wir haben die Anzahl also mehr als verdoppelt. Bisher ist die Akquisition auf emotionaler Ebene verlaufen. Jetzt ist die Frage, was können wir als Extra bieten, um noch mehr Mitglieder zu gewinnen? Da geht es um die Medienrechte.

Sie meinen, dass Rapid-Mitglieder sofort nach Spielschluss auf ihrem Laptop oder Handy die Tore ansehen können?

Oder, dass sie vielleicht sogar die Rapid-Spiele live sehen können – egal wo, auf der ganzen Welt.

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