Platin-ROMY der Akademie an Christian Kolonovits

Platin-ROMY der Akademie an Christian Kolonovits
Der Musiker, Arrangeur und Komponist ist eine der prägendsten Figuren der heimischen Musikszene.

KURIER: Haben Sie überhaupt noch Platz für Auszeichnungen?

Christian Kolonovits: Ja! (lacht) Aber wirklich nicht viel. Die Studiowände sind voll davon. Ein paar stehen auch am Sims der Toilette - das meine ich aber keinesfalls respektlos! Dieser Rückzugsort ist eben auch ein Ort der Inspiration und meine Auszeichnung am Sims sind eine Art Wegweiser durch ein ziemlich spannendes Musikerleben und Symbol der Reflexion.

Gibt es da eine, auf die man besonders stolz ist?

Ich habe eine große, allgemeine Dankbarkeit für so vieles, was in meinem Leben passiert ist und wie das von den Menschen aufgenommen wurde. Eine Schlüsselplatte für den Austropop war sicher der "Zentralfriedhof“, - auf diese goldene Schallplatte bin ich nach wie vor sehr stolz. Aber wichtiger, als all diese frühen Auszeichnung, war mir meine erste Gage als Studiomusiker. Das Hungerleider - Image meines Berufes und die kläglichen Versuche meines Vaters, mich zu einem anständigen Beruf zu bewegen, machten mir zu Schaffen und hatten mein Selbstbewusstsein unterwandert. Umso mehr bedeutete mir meine erste, handgeschriebene Rechnung sehr viel. Das änderte allerdings nichts daran, dass mein Vater, zwar stolz auf meine Erfolge, bis zu seinem Ableben, ängstlich meinen frühen Hungertod nicht ausschließen wollte.

Trotzdem war klar, dass Sie Musiker werden?

Absolut. Seit meinem fünften Lebensjahr. Damals habe ich im Vatikan gelebt.

 

Platin-ROMY der Akademie an Christian Kolonovits

Warum?

Mein Onkel war dort Priester und Organist. Meine Eltern hatten mich zu ihm nach Rom geschickt, weil ich lungenkrank war und dort genesen sollte. Bei meinem Onkel lernte ich die Grundlagen der Musik. Pumperlg’sund setzte er mich als Sechsjährigen in den Zug nach Österreich und sagte zum Abschied: „Du wirst Musiker“. Zu Hause angekommen setzte ich mich - Kraft meines Amtes als Musiker - ans Klavier und begleitete das Weihnachtsfest. Und seit damals wusste ich: Mit diesen magischen zwölf Tönen werde ich mein Leben bestreiten und glücklich sein. Und wirklich, – jeder Moment, in dem ich nicht Klavier gespielt habe, war ein leerer Moment. Deswegen war ich auch so ein schlechter Schüler. (lacht)

Jetzt ist das alles aber noch keine Garantie für eine Karriere. Wie schafft man das?

Ich habe mich immer als Musikant gefühlt, der für Menschen spielen wollte. Dabei waren die Romamusiker des Südburgenlandes, wo ich ja aufgewachsen bin, immer mein großes Vorbild. Sie waren nie die abgehobenen Musiker, die ihre Kunst im Hinterzimmer versteckten. Nein, sie hatten immer das Gegenüber des Publikums. Und sie wussten: Erst wenn die Musik vom Publikum reflektiert wird, hat sie ihren Sinn erfüllt. Diese Erkenntniss begleitet mich bis heute. Musik braucht eben ein Echo, sonst ist sie halt ein bisschen tot. Außerdem habe ich sehr früh sehr viele Instrumente „ein bisschen“ gelernt: Ein bisschen Flöte, ein bisschen Saxofon, ein bisschen Gitarre, ein bisschen Schlagzeug, ein bisschen Bass, ein bisschen Cello, ein bisschen mehr Klavier… und all das ergibt irgendwann einen Musiker mit Blick auf das Ganze. Auch hatte ich das Glück immer auf Menschen zu treffen, die mich weiterbrachten und mir zeigten, wie man unsere zwölf Töne immer wieder neu zusammensetzt.

Wer waren diese Menschen?

Noch während meines Musikstudiums traf ich auf den Produzenten, der damals den „Hofa" produziert hat, Peter Müller. Er hatte mich in einem Club spielen gehört und mir sofort einen Studiojob angeboten. Bei Peter erhielt ich sozusagen meinen ersten Crashkurs in Popmusik und lernte gleichzeitig alle kenne, die für mich relevant waren – Wolfgang Ambros, Georg Danzer und viele mehr.

 

Der „Hofa“ war ja damals revolutionär.

Und plötzlich in diesem Umfeld tätig zu sein – etwas besseres konnte mir nicht passieren. Ich wurde schnell zum Arrangeur der damaligen Szene. Mit wenig Erfahrung, aber viel Charisma und Erfindergeist, entwickelte sich eine eigenständige Musikszene, für die wir auch im Ausland beneidet wurden. Zur selben Zeit schrieb ich „Hollywood“ für Waterloo und Robinson, was zu einem Riesenhit im deutschsprachigen Raum wurde. Es entstand ein echter kleiner Hype um meine Person, was mich ziemlich unter Druck setzte und mich veranlasste, mich für ein paar Jahre nach Frankfurt abzusetzen. Dort traf ich auf Frank Farian, den größten europäischen Hitproduzenten, der damals Gruppen wie Boney M. produzierte. In seiner Hitfabrik lernte ich das Handwerk des Musikproduzenten. Trotz meiner „Flucht“ nach Deutschland blieb mir der Austropop erhalten. Fast unglaublich, dass Wolfgang Ambros, mein forever treuer Freund, seinen größten Hit „Schifoan“ bei mir in Frankfurt aufnahm. Auch „Zentralfriedhof“ das österreichischste aller Alben, entstand zum Teil bei mir in Frankfurt. In Deutschland gab es damals ja keine der österreichischen vergleichbare Szene. Dort gab es deutschen Schlager, der in den 80ern von der neuen deutschen Welle abgelöst wurde.

Die neue deutsche Welle hat dann den Austropop umgebracht.

Das kann man so nicht sagen. Sie war eher ein Konter auf den allzu lässigen Austropop. Und Österreich hatte sich, nach dieser ersten Überdosis Austropop, eine Verschnaufpause verdient. 1980 kam ich zurück nach Wien. Dort traf ich wieder auf Wolfgang, den ich ein Jahr lang nicht gesehen hatte – und er sagte: Da gibt es einen, der sucht dich seit zwei Jahren, der heißt Fendrich. Geh bitte, ruf den an. Mit Rainhard habe ich dann das Album „zwischen eins und vier“ produziert. Ein Riesenerfolg! Ich blieb dann sieben Alben lang sein Produzent. Mit Hirsch produzierte ich zur selben Zeit ein paar wunderschöne Alben, mit Bill schrieb ich „I mecht landen“.… Die zweite Welle des Austropop war gelandet.

Die Rückkehr nach Österreich scheint leicht gewesen zu sein.

Ein Österreichisches Phänomen: Wenn man einige Jahre weg ist, wird man hier sowas von geliebt, gehypt und gut bezahlt! Man könnte ins Schwärmen kommen.

Damals fing auch Ihre Arbeit für den ORF an.

Ja. Ich schrieb eine ganze Menge Filmmusiken, und betreute diverse Shows. Aber ich war nie ein Liebling des ORF und wollte das auch nicht sein. Auch hat mich meine unbedingte Freiheitsliebe und mein „Hans im Glück“- Instinkt von den Zentren der Macht auf natürliche Weise ferngehalten. Täglich weitgehendste Freiheit und volles Risiko hält jung und macht glücklich.

Mit VSOP kam dann ein großes Projekt, das ein völlig neues Kapitel aufschlug.

Richtig. Die Wiener Symphoniker, mit denen ich bis dato nur an diversen Filmmusiken und Begleitprojekten gearbeitet hatte, wollten ein eigenes Popprojekt machen. So entwickelten wir mit VSOP ein Format, das Popsongs und den klassischen Klangkörper optimal verbinden sollte. Es war dies die erste Form von Crossover. Von puristischen Kritikern der Ketzerei beschuldigt, und vom Publikum geliebt, ging dieses Projekt um die ganze Welt und verkaufte vier Millionen Alben.

Und es gingen wohl viele Österreicher in ihr erstes Orchesterkonzert.

Das war der Anspruch: Für Klassiker, die sich vor Popmusik fürchteten, und für Popfans, die noch nie im Musikverein waren, wollten wir eine Brücke bauen. Das war uns gelungen. Vor ein paar Wochen um drei Uhr Nachts hatte ich ein wunderbares Gespräch mit einem schlaflosen Marco Wanda. Er erzählte mir, wie er als Jugendlicher am Wiener Rathausplatz ein Fendrich-VSOP-Konzert gesehen hat und wie nachhaltig er davon beeindruckt war. Das hat mich wirklich sehr berührt, denn es geht in der Musik doch immer auch um die Weitergabe des Feuers.

 

Sind die Zeiten für die neuen Bands schwieriger?

Nicht schwieriger, nur anders. Wer unabhängig denkt, liegt richtig. Es gibt heute Bands, die ohne große Budgets, eigenverantwortlich wunderbare Produktionen machen. Man braucht auch keine großen Plattenverträge mehr, um teure Studiozeit zu finanzieren. Jeder hat heute das gleiche Setup, den gleichen Computer und die gleiche Software. Es kommt nur noch drauf an, was man daraus macht. Das finde ich großartig.

Die 90er und frühen 00er Jahre waren für die österreichische Popmusik dürr, fast eine Wüste.

Absolut dürr! Das war die Zeit, in der ich mich bewusst oder unbewusst aus der Popmusik absentierte und mich noch mehr auf symphonische Arbeiten konzentrierte. 1996 begann ich an „Christmas in Vienna“ zu schreiben, was zu einer Zusammenarbeit mit Carreras, Domingo und Pavarotti führte. Auch das war wieder so ein Flash, in den ich völlig unbedarft hineingeschlittert bin: Der ursprüngliche Arrangeur von „Christmas in Vienna“, der große Lalo Schifrin, hatte wieder einmal keine Zeit. So schlugen mich die Wiener Symphoniker vor. Kurz darauf rief man mich aus New York an. Herr Domingo würde mich gerne kennenlernen und ich solle ein neues Arrangement mitbringen. Eine Concorde brachte mich von Paris nach New York. Im Sonybuilding warteten schon Domingo und Michael Bolton, die beide beim Konzert singen sollten. Man bat mich, am Steinway Platz zu nehmen, um meine Ideen vorzutragen. Bald saß Domingo neben mir am Klavier, wir spielten vierhändig und er sang mir mit seinem unverkennbaren Tenor in’s rechte Ohr. Er stand dann auf und sagte in Richtung seines Managers: „He’s got the job“. Und eine nächste spannende Dekade begann.

Auch mit Musiktheater.

Ja. In den späten 90er Jahren begann ich Musical zu dirigieren und zu arrangieren, was mir unglaublich viel Spaß gemacht hat. So bin ich langsam in die Musiktheater-Arbeit hi neingewachsen. In den Nuller-Jahren entstanden Stücke wie „Die Weberischen“ und „Woyzeck und die Tigerlillies“, die ich musikalisch begleitete. Bei den „Weberischen“ lernte ich Robert Meyer, den neuen Direktor der Volksoper, kennen, dem ich meine Kinderoper „Antonia und der Reißteufel“ vorschlug. Er nahm an und wir hatten unseren ersten gemeinsamen Megaerfolg. Gleichzeitig bat mich Carreras, für ihn eine Oper zu schreiben. Für den großen Carreras zu schreiben war wie ein Ritterschlag. Die Uraufführung von „El Juez“ in Bilbao – ein unvergessliches Erlebnis. Natürlich arbeite ich weiter an spannenden Plattenprojekten, aber der Suchtfaktor Musiktheater ist ziemlich heftig, – die Entwöhnungschancen gering. Erst gerade ging die zweite Spielzeit meiner BaRock Oper „Vivaldi – die fünfte Jahreszeit“ zu Ende. Die Auslastung war 97,6%. Ist das nicht geil! Ich glaube ich werde weitermachen, solange es Spaß macht. Ich hab es ihm ja versprochen, meinem Onkel, – vor 60 Jahren in Rom.

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