Opatija: Ein Wohnzimmer an der Adria
Alles wirkt irgendwie vertraut. Die eleganten Villen könnten auch in der Wiener Cottage stehen. Die noblen Grandhotels am Semmering oder in Bad Gastein. Und die Bahnstation, ja, die sieht aus wie in der k.u.k.-Monarchie Bahnhöfe eben aussahen. Nur das Meer ist anders. Opatija, das Seebad an der Kvarner Bucht in Kroatien, dessen italienischer Name Abbazia lautet, war einer der Lieblingsorte der Wiener und ist es immer noch. Und hat, wie ein neues Buch belegt, vieles mit Wien gemeinsam. Der Aufstieg zum Bade- und Sommerfrischeort der Wiener Haute Volée begann mit dem Ausbau der Südbahn.
Eisenbahner als Bauherren
Die Südbahngesellschaft hatte bereits den Semmering erschlossen und suchte ein neues, weiter entferntes Ziel: Opatija/Matulji. Dazu errichtete die Eisenbahngesellschaft einen Abzweiger von der Strecke nach Triest und baute quasi die Stadt dazu: das heutige Hotel Kvarner und ein Dutzend weiterer Hotels, sogar eine Kirche und Sanatorien. Und vor allem das, was heute noch eine der Hauptattraktionen ist: den nach Kaiser Franz Joseph benannten Lungomare. Die zwölf Kilometer lange Strandpromenade, die von Volosko bis Lovran führt, vorbei an Hotels, Stränden, Cafés, Villen und Lorbeerbäumen, und die bis heute den freien Zugang zum Meer ermöglicht und immer noch ein beliebter Spazierweg ist.
Die Hotels waren speziell auf die Bedürfnisse der Gäste, die sich mit großem Gefolge auf Sommerfrische begaben, eingerichtet: Vorne die prunkvollen Zimmer mit Balkon und herrlicher Aussicht auf die Bucht für die Herrschaft, hinten raus kleine Zimmer für die Dienstboten. In den Villen tummelte sich die Prominenz. Die Tänzerin Isadora Duncan stieg im Hotel Kvarner ab. Angeblich inspirierte das Flattern der Palmblätter zu neuen Tanzfiguren. Der berühmte Arzt Theodor Billroth ordinierte in Wien – und Opatija. Die Schauspielerin und Kaiser-Geliebte Katharina Schratt stieg in der Villa Madonna ab. Der Kaiser selbst war allerdings nur zwei Mal da. Das eine Mal traf er hier Kaiser Wilhelm, das andere Mal das schwedische Königspaar. Aber dass Franz Joseph die Erhebung Opatijas zum Kurort höchstpersönlich unterzeichnete, war schon etwas Besonderes.
Deshalb sieht es aus wie Wien
Warum so viele Bauwerke aussehen, als stünden sie in Wien, ist leicht erklärt: Sie stammen aus der Hand von Wiener Architekten, wie etwa des Theophil-Hansen-Schülers Carl Seidl. Und manche tragen auch Namen, die man kennt: Das Belvedere ist in Opatija zwar kein Schloss, sondern ein Grand Hotel, sein Charme ist zwar schon etwas verwittert, die Lage am Lungomare hingegen unschlagbar. Ein anderes Hotel wurde als „Stephanie“ errichtet, heute trägt es den Namen Imperial, es gibt ein Ambassador und ein "Milenij" (Millennium).
Und während in Wien die Autos über den Franz-Josephs-Kai brausen, sind auf dem nach dem Kaiser benannten Lungomare Spaziergänger und Jogger unterwegs. Sogar eine Tramway gab es, die aussah wie jene in Wien – und vom Bahnhof Matulji über Volosko und Opatija bis Ičići und Lovran ratterte. Eine Stunde brauchte sie für die zwölf Kilometer lange Strecke. Allerdings wurde der Betrieb 1933 wieder eingestellt. Als der Erste Weltkrieg kam, war es mit der Herrlichkeit der Stadt am Kvarner bald vorbei. Die hochmögenden Gäste blieben aus. In der jugoslawischen Zeit wurden nüchterne Hotels im modernen Stil gebaut. In der Nachkriegszeit kam man zur Thalassotherapie oder zu Kongressen. Aber seit etlichen Jahren wird das Erbe der Monarchie wieder gepflegt.
Aus schäbig wird schön
Die heruntergekommenen Grandhotels wurden nach und nach renoviert, ebenso die prächtigen Villen. Dem Tourismus hat das gut getan. Der Kvarner ist fest in österreichischer Hand, es klingt Wienerisch, steirisch, kärntnerisch. Für die Österreicher ist Opatija gleichsam das Wohnzimmer am Meer. Das milde Klima lockt schon ab März oder April, sich die erste Bräune auf der Hotelterrasse am Meer zu holen und danach bei Scampi à la buzara, also Garnelen in der pikanten Zwiebel-Knoblauch-Paradeiser-Sauce, und einem Glas frischem Weißwein den Herrgott einen guten Mann sein zu lassen. Und darüber zu sinnieren, dass trotz der vielen Parallelen zwischen Wien und Opatija die Tante Jolesch doch Unrecht hatte, als sie meinte: "Alle Städte sind gleich, nur Venedig is e bissele anders."
Lesetipp: Opatija/Wien – Beč/Abbazia, von Manfred Matzka
und Neven Ivanić, Verlag Adamić, Rijeka
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