Serbien nach langer Wartezeit EU-Kandidat
Eine außenpolitische Initiative Österreichs bringt Serbien nach jahrelangem Warten und regionalen Krisen einen großen Schritt näher an die EU. Seit Wochen laufen Geheimverhandlungen unter Federführung von Außenminister Michael Spindelegger. Er schickte Emissäre in die wichtigsten Hauptstädte der EU sowie nach Belgrad und Prishtina, um einerseits Serbien zu motivieren, alle Bedingungen für den EU-Kandidatenstatus zu erfüllen, und zum anderen die Erweiterungsbremser (Deutschland und die Niederlande) von der politischen und ökonomischen Sinnhaftigkeit der EU-Annäherung des Balkanlandes zu überzeugen.
In einem gemeinsamen Brief von Spindelegger, Frankreichs Außenminister Alain Juppé und Italiens Giulio Terzi an ihre EU-Kollegen, die Hohe Vertreterin für die gemeinsame Außenpolitik, Catherine Ashton, und Erweiterungskommissar Štefan Füle wird darauf hingewiesen, dass Serbien „die Bedingungen für den Kandidatenstatus erfüllt“ und „entscheidende Fortschritte“ gemacht habe.
In Brüssel wird der Spindelegger-Vorstoß bereits „als diplomatischer Erfolg“ bezeichnet – auch wenn in den Verhandlungen zwischen Belgrad und Prishtina noch nicht alle Hürden aus dem Weg geräumt worden sind. „Wir setzen mit dem Brief ein unmissverständliches politisches Signal. Wir haben damit einen wichtigen Durchbruch erzielt, der Serbien zu weiteren Reformen und zur fortgesetzten Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo ermutigt“, sagte der Außenminister zum KURIER.
Verwehrt
Beim EU-Gipfel im Dezember wurde Serbien der Titel „EU-Beitrittskandidat“ wegen des anhaltenden Konflikts zwischen Belgrad und Prishtina noch verwehrt. Unter Vermittlung der EU kamen sich Serbien und der Kosovo näher.
Ein wichtiger Streitpunkt ist, ob der jüngste Staat Europas bei internationalen Treffen gleichberechtigt als „Republik Kosovo“ auftreten kann. Serbien lehnt das ab, eine Kompromissformel soll beiden Seiten etwas bringen. Auf dem Namensschild sollte künftig „Kosovo“ stehen mit der kleinen Fußnote, dass die Region nach einem Beschluss des UNO-Sicherheitsrates aus dem Kriegsjahr 1999 formell immer noch zu Serbien gehört.
Die EU verlangt von Belgrad gute Beziehungen zum Kosovo und Ruhe im Nordteil, wo mehrheitlich Serben leben und radikale Kräfte die Abspaltung vom Kosovo verlangen.
Am Donnerstag reiste der deutsche Außenminister Guido Westerwelle kurzfristig nach Belgrad, um Staatspräsident Boris Tadić zum Einlenken gegenüber dem Kosovo zu bewegen und den pro-europäischen Kräften in Serbien wenige Wochen vor der Parlamentswahl den Rücken zu stärken.
Die EU erwartet sich von der Zuerkennung des Kandidaten-Status an Serbien Reformen und einen Wirtschaftsaufschwung am Balkan. Für österreichische Unternehmen ist Serbien ein wichtiger Partner (siehe Grafik), es gibt ein deutliches österreichisches Handelsbilanzplus. Mehr als 400 Betriebe sind mit eigenen Niederlassungen vor Ort vertreten. Zu den engen serbisch-österreichischen Kontakten tragen auch rund 200.000 Österreicher mit serbischem Migrationshintergrund bei. Nach Deutschen sind Serben die größte Bevölkerungsgruppe ausländischer Herkunft in Österreich. An dritter Stelle folgen Migranten aus der Türkei.
Erweiterung: Südosteuropa im Wartezimmer der EU
Serbien/Österreich Rund 400 österreichische Firmen sind in Serbien vertreten – Schwerpunkte Banken, Versicherungen, Mobilfunk und OMV. Deutliches Handelsbilanz-Plus Österreichs.
EU-Erweiterung Montenegro soll im Juni 2012 Beitrittsverhandlungen mit der EU eröffnen. Bedingung: Fortschritte im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität. Mazedonien kann Beitrittsverhandlungen erst starten, wenn der Streit um den Staatsnamen mit Griechenland beendet ist. Albanien gab Beitrittsantrag 2009 ab, Bosnien-Herzegowina will im April ansuchen.
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