Lernen von Mutbürger Joachim Gauck
Gastfreundschaft und erlesene Höflichkeiten – Handkuss für die First Lady und Petits Fours zum Gespräch: Das waren sicher nicht die einzigen Inhalte des Treffens der beiden Staatsoberhäupter Fischer und Gauck. Es ging hoffentlich wohl auch um die Rettung des europäischen Projekts, das mehr ist als die gemeinsame Währung, der Euro. Die Sehnsucht nach Schilling oder Deutscher Mark, die Flucht in Nationalismen, in Kleinstaaterei und tiefe Ressentiments muss Europas Spitzenpolitiker in doppelter Hinsicht alarmieren: Einmal ist es die Absage an den mühsamen, jahrzehntelangen Integrationsprozess und das Friedensprojekt Europa, zum anderen das öffentliche Zeugnis für das desaströse Scheitern der Politik und ihren Kniefall vor simplen Rezepten für eine immer komplexere und globalere Welt.
Freiheitsdenker und Mutbürger Gauck hat das erkannt: In seinem ersten Sommer-Interview im ZDF verlangte er von der deutschen Regierung, im Besonderen aber von Bundeskanzlerin Merkel, den Bürgern die Buchstabensuppe ESFS und ESM detailliert zu entschlüsseln, sagen wir: Europa besser zu kommunizieren. "Manchmal ist es mühsam zu erklären, worum es geht. Und manchmal fehlt die Energie und die Entschlossenheit, der Bevölkerung sehr offen zu sagen, was eigentlich passiert", plädierte Gauck für eine breite gesellschaftliche Debatte.
Zustimmung und Kritik folgten, das gehört zu einer lebhaften Diskussion. In Österreich fehlt dieser erfrischende Meinungsaustausch, der einzige Input kommt derzeit von EU-Gegnern. Dem Demokraten Fischer müsste das zu denken geben. Wo bleibt seine Courage, zu einem zivilisierten Europa-Diskurs aufzurufen? Wann, wenn nicht jetzt, ist sein Beitrag gefragt.
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