Zeugen in der ÖVP-Inseratencausa: "Wir haben das nicht hinterfragt“

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Die WKStA ließ etliche Zeugen befragen, sehr ergiebig war das nicht. Einer Mitarbeiterin des Finanzressorts kommt das Volumen für den Boulevard heute zwar komisch vor, aber der Auftrag kam von oben und wurde umgesetzt.

Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der ÖVP-Inseratencausa nehmen an Fahrt auf: Ein Großteil der Daten, die im Oktober 2021 bei der Mediengruppe Österreich sichergestellt wurden, ist mittlerweile ausgewertet. Gedauert hat es deshalb so lange, weil die Daten in Tranchen vom Gericht freigegeben werden mussten.

Von Jänner bis Juni gab es zudem Einvernahmen von mehreren Zeugen. So viel vorweg: Die Verdachtslage dürfte sich dabei nicht sonderlich erhärtet haben. Die Protokolle liegen dem KURIER vor.

Worum geht’s?

2017 zerbrach die rot-schwarze Koalition; nach Neuwahlen im Herbst wurde Sebastian Kurz Bundeskanzler und bildete eine Koalition mit der FPÖ. Im Hintergrund soll Kurz schon länger an seiner Übernahme der ÖVP und in weiterer Folge des Kanzleramts gearbeitet haben. Mit eifriger Unterstützung von Thomas Schmid, der damals Generalsekretär im Finanzministerium war und einen Deal mit dem Boulevard eingefädelt haben soll.

Mit dem sogenannten „Beinschab-Tool“ sollen frisierte Umfragen zugunsten von Kurz in Österreich veröffentlicht und die Mediengruppe im Gegenzug mit Inseratenschaltungen verwöhnt worden sein. Was der Konkurrenz – Heute und Krone – sauer aufgestoßen ist. Ab 2017 haben auch sie mehr Inserate bekommen, dazu laufen ebenfalls Ermittlungen.

Bevor all das begann, war das Finanzministerium recht sparsam bei Werbung. 2015 gab das Ressort laut Medientransparenzdatenbank nur 135.0000 Euro aus. 2016 stieg der Betrag auf 1,8 Millionen Euro an, 2017 dann plötzlich auf 7,2 Millionen Euro. Dass die Ausgaben mit 8,9 Millionen Euro im Jahr 2020 ihren Höhepunkt erreichten, ließe sich mit der Corona-Pandemie erklären.

In Bezug auf die Summen in den Jahren davor geht die WKStA aber davon aus, dass viele Inserate, Umfragen und Studien zu „sachfremden Zwecken“ mit Steuergeld bezahlt wurden – zugunsten von Kurz und seiner ÖVP.

Misstrauen in der SPÖ

Die Behörde ermittelt wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit u. a. gegen Kurz und sein Umfeld, den früheren Abteilungsleiter für Öffentlichkeitsarbeit im Finanzministerium, Johannes P., und Verantwortliche der genannten Medienhäuser.

Die Vorwürfe stützen sich großteils auf die Aussagen von Meinungsforscherin Sabine Beinschab und Ex-Generalsekretär Thomas Schmid, die als Kronzeugen selbst vor Strafverfolgung geschützt sind.

Aber weder die drei kürzlich befragten Mitarbeiter aus dem Finanzministerium, noch die ehemalige Sprecherin von Ex-ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner oder vier frühere enge Mitarbeiter von Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern, noch Mitterlehner und Kern selbst hatten persönliche Wahrnehmungen, dass es irgendwelche Deals zwischen ÖVP und dem Boulevard gab. 

Was es gab, war ein Verdacht in die Richtung – und gerade gegen Ende der Großen Koalition ganz viel Misstrauen.

Mitterlehner gab als Zeuge zu Protokoll, dass es „bürointern schon Diskussionen über gewisse Häufungen von Inseraten einzelner Ministerien in bestimmten Medien, insbesondere bei Österreich und Krone“ gegeben habe.

Das Boulevardblatt Heute wird vom Ex-ÖVP-Vizekanzler eher entlastet, wie die Presse kürzlich berichtete: Seiner Erinnerung nach habe es „keine tatsächliche oder versuchte Einflussnahme“ gegeben. Ex-SPÖ-Kanzler Kern gab bei seiner Einvernahme an, dass Heute „keine Negativkampagne auf persönlicher Ebene“ gegen ihn geführt habe.

Zu den konkreten Vorwürfen in der ÖVP-Inseratencausa konnte der frühere SPÖ-Kanzler nichts erzählen. Nur so viel: „Ich halte es für demokratiegefährdend, dass man mit Regierungsinseraten gewogenen Journalismus kaufen kann. Mein Eindruck war, dass das der Fall war. Die historische Mitverantwortung auch der SPÖ besteht zweifelsfrei.“

„Für mich nicht relevant“

Fehlanzeige auch bei den drei Mitarbeitern im Finanzressort: Eine Mitarbeiterin meinte bloß, dass die Verteilung im Boulevard „rückblickend nicht ganz klar nachvollziehbar“ sei. Damals habe man sich darüber keine Gedanken gemacht, es nie hinterfragt. Sie habe einen „klaren Arbeitsauftrag vom Abteilungsleiter bekommen“ und diesen umgesetzt.

Ähnlich antwortete ein anderer Mitarbeiter auf die Frage, ob die „Prüfung eines konkreten Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit“ erfolgt sei: „Für mich war das damals insofern nicht wirklich relevant, weil P. (der Abteilungsleiter, Anm.) den klaren Auftrag erteilte, dass hier laut Angebot zu beauftragen war. “ Zu einer Studie, die im Akt als fragwürdig aufgelistet wird, meint er, dass die Fragen „nicht völlig absurd“ seien. Unter seiner Führung würde es „so einen Akt“ aber nicht geben.

Die dritte Mitarbeiterin, die von Beamten des Bundesamtes zur Korruptionsbekämpfung (BAK) fast zehn Stunden lang einvernommen und mit etlichen Inseraten und Studien konfrontiert wurde, konnte über die Hintergründe nichts sagen: „Der konkrete Auftrag an mich kam immer vom Abteilungsleiter.“

Kurz als Lebensgefährte

P.s Stil als Abteilungsleiter beschrieben alle drei als „hierarchisch“. Er wiederum soll – so die Theorie in den Ermittlungen – seine Aufträge von Generalsekretär Schmid erhalten haben. Und der behauptete in seinem Kronzeugen-Geständnis, er habe den Auftrag für das Beinschab-Tool von Kurz höchstselbst erhalten.

Kurz ist laut den Zeugenaussagen im Finanzressort nur als Lebensgefährte einer Kollegin in Erscheinung getreten – etwa, wenn er sie von der Arbeit abgeholt hat.

Der Abteilungsleiter und anderen Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, einvernommen wurden sie noch nicht. Das dürfte der nächste große Schritt in den Ermittlungen der WKStA sein. Ein Ende ist noch nicht in Sicht.

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