Das Justizministerium weist die Kritik zurück: Das Vorgehen sei gedeckt gewesen, die zuständige Fachabteilung habe die Einstellung des Verfahrens auch abgesegnet. Grund war, dass sich der Tatverdächtige im Ausland befindet. Erst jetzt, nach Kellermayrs Tod, ist die inländische Gerichtsbarkeit gegeben.
Zerbes bleibt aber dabei: Sie hat in Kommentaren zum Strafgesetzbuch recherchiert und die Zuständigkeit der inländischen Behörden, gleich zu Beginn, sehr wohl herausgelesen. Die Staatsanwaltschaft habe „diese Quellen offenbar nicht herangezogen“.
Der Schlagabtausch ist durchaus pikant: Zerbes ist nicht nur Strafrechtsprofessorin an der Uni Wien, sondern auch stellvertretende Rechtsschutzbeauftragte – bestellt von der Justizministerin.
Der Fall Kellermayr hat zudem eine Debatte angestoßen, wie effizient die Strafverfolgung im Bereich Cybercrime aufgestellt ist. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat am Wochenende eine Sonderstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Hass im Netz vorgeschlagen.
Das lehnt Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ab: Es brauche stattdessen mehr Ressourcen für die bestehenden Behörden, sagt sie. Die gesamte Strafverfolgung – Polizei, Staatsanwälte und Gerichte – müssten entsprechende Kompetenzen aufbauen, um Cybercrime effektiv aufzuklären. Diesen Standpunkt vertreten auch die Staatsanwälte-Vereinigung und die Rechtsanwaltskammer.
Zadić kündigt ein gemeinsames Projekt mit dem Innenministerium an und hat bereits Kontakt aufgenommen.
Cybercrime-Spezialisten seit Frühjahr
Erst heuer im Frühjahr wurden bei den Staatsanwaltschaften in Wien und Graz Kompetenzzentren für Cybercrime eingerichtet. Vier bzw. zwei dort ansässige Staatsanwälte verfügen über Fachwissen, das sie an ihre Kollegen weitergeben, wenn diese bei einem Cybercrime-Fall Unterstützung brauchen, wird im Justizministerium erklärt.
Der Haken: Sie helfen nur innerhalb der eigenen Behörde – also in Wien und Graz – woanders nicht.
Genau deshalb pocht die Justizministerin auf einen Ausbau der Kompetenzzentren: „Jede Staatsanwaltschaft in Österreich hat mit Fällen von Hass im Netz und Cybercrime zu tun, daher ist es notwendig, entsprechende Kompetenzen flächendeckend aufzubauen.“
Die Welser Staatsanwälte müssen derzeit also ohne den Cybercrime-Kollegen aus Wien und Graz auskommen. Im Justizministerium sieht man darin offenbar kein Problem: Das schwierigste in solchen Causen ist es, die Täter auszuforschen – und das sei klassische Polizeiaufgabe, heißt es dort.
Wenn die Täter ausgeforscht sind, handle es sich meist um gefährliche Drohungen, die – unabhängig davon, ob sie in der „digitalen“ oder der „realen“ Welt ausgesprochen werden – zu verfolgen sind“.
Am Dienstag startet das Justizministerium übrigens eine neue Kampagne, um das Angebot der kostenlosen psychosozialen Prozessbegleitung bekannter zu machen.
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