Wrabetz rät Regierung: "ORF braucht Auftrag für künstliche Intelligenz"

Er schreibt schnell und fehlerfrei: Sie lesen gerade einen Text, den der neue Chatbot ChatGPT mit einigen Basisinformationen ähnlich gut zustande bringen dürfte. Das neue Textprogramm aus den USA hat künstliche Intelligenz (KI) massiv weiterentwickelt. Das wirft ethische wie praktische Fragen auf: Was bedeutet das für den Datenschutz? Wie verändern sich Berufsbilder?
Die EU will KI-Technologien über den Artificial Intelligence Act (AIA) regulieren. Doch die KI-Revolution lasse sich nicht aufhalten, betonen Ex-ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und Marcus Arige (SPÖ), Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Wien. Sie warnen im KURIER-Interview vor einer Überregulierung durch die EU – auf Kosten des Fortschritts. „Ich habe das Gefühl, dass mit dem AIA Investitionen gehemmt werden“, kritisiert Arige.
Viele Unternehmen in Österreich würden gerne in KI investieren, aber das Risiko sei ihnen zu groß. Der AIA sei mit seinen Warnungen vor Fake News oder Rassismus „eigentlich ein Dokument der Angst“, so Arige. Nach dem digitalen Zeitalter, drohe Europa auch die KI-Revolution zu verschlafen. Wrabetz, der den KI-Bereich des Thinktanks Future Vienna leitet, ergänzt: „Die KI-Revolution wird die digitale Revolution wohl in den Schatten stellen.“
Journalisten bald nur noch Lektoren?
Auch Daniel Abbou, Geschäftsführer im deutschen KI Bundesverband, warnt: Die Technik-Riesen Microsoft, Apple oder Amazon würden über Applikationen wie ChatGPT die Wirtschaftsdaten aus Europa bekommen. „Wenn wir keine europäischen Modelle anbieten, die das auch können, werden wir in der Wertschöpfungskette zurückfallen“, sagt Abbou. Europa drohe ein massiver Wettbewerbsnachteil.
Aber was bedeutet KI konkret für einzelne Berufsbilder? Angesprochen auf die Medienbranche, sagt Wrabetz: KI könne vor allem repetitive, also sich wiederholende Tätigkeiten, übernehmen. „Schon jetzt kann man aus einem Fußballmatch per Knopfdruck eine dreiminütige Zusammenfassung machen, die ähnlich gut ist wie eine journalistische Arbeit“, sagt Wrabetz. Er glaube: Journalisten werden künftig vor allem Lektoren der KI-Programme sein. Das sei auch eine Chance für den ORF, meint der Ex-ORF-General.
„Erfolglose Debatte“
Der ORF will einen Teil jener Mitarbeiter, die demnächst in Pension gehen, nicht nachbesetzen. „Die Abläufe sind jetzt schon ziemlich durchrationalisiert. Hier muss man neue Technologien einsetzen, wenn man das bewältigen will“, sagt Wrabetz. KI könnte die Produktivität steigern – bei weniger Arbeitskräften.
Wrabetz geht davon aus, dass sich „50 Prozent der medialen Arbeitsbilder in den nächsten sieben Jahren stark verändern werden“. Deshalb rät er der Regierung: „Man diskutiert seit fünf Jahren erfolglos, was der Digitalauftrag des ORF ist. Eigentlich sollte der ORF jetzt einen KI-Auftrag bekommen.“ Öffentlich-rechtliche und private Medien sollten jetzt KI-Anwendungen entwickeln, um künftig konkurrenzfähig zu bleiben.
Auch Arige geht davon aus, dass KI massive Auswirkungen auf die Kreativbranche haben wird: „Der durchschnittliche, mittelmäßig begabte Texter oder Fotograf wird nicht mehr notwendig sein. KI wird das Mittelmaß ausradieren.“ Was er komische finde: "Dass wir von dieser neuen Technologie mehr verlangen als von Menschen. Der Mensch darf schimpfen, fluchen und lügen wie Donald Trump – der Chatbot nicht."
Apropos Arbeitsmarkt: Könnte künstliche Intelligenz die SPÖ-Forderung einer Vier-Tage-Woche realistischer machen? Vielleicht, meint Arige und schmunzelt: „Eine KI könnte aber auch eine mittelmäßig begabte Bundesregierung ersetzen.“ Wrabetz fügt lächelnd hinzu: „Wenn eine KI zum Beispiel in Zukunft Social-Media-Kampagnen von Parteien übernimmt, kann es sein, dass sie durchaus besser werden.“
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