Wo bleibt der gläserne Finanzbeamte?

Wo bleibt der gläserne Finanzbeamte?
Steuerberater verlangen strenge Anti-Missbrauchs-Regelungen und eine Begründungspflicht.

Das geplante zentrale Kontenregister sei ein großer Fortschritt, die in Zukunft wesentlich erleichterte Konteneinschau durch Finanzbeamte gehe aber – rechtsstaatlich gesehen – viel zu weit. Diese Sicht teilen Experten wie Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler in der Kleinen Zeitung oder Steuerberater-Präsident Klaus Hübner im Gespräch mit dem KURIER. Selbst so klare Befürworter für das Aus des Bankgeheimnisses, wie die Vertreter von Attac, fordern Vorkehrungen gegen Missbrauch bei Kontoabfragen – bis hin zu strafrechtlichen Sanktionen (wie etwa beim Melderegister).

Hübner sagt: "Wir sind für die Betrugsbekämpfung. Wir unterstützen Maßnahmen gegen den Steuerbetrug. Aber das Recht zur Kontenöffnung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre. Es besteht die Gefahr des Missbrauchs. Es dürfen nicht wegen einiger weniger die Konten von Millionen Bürgern frei einsehbar sein."

Missbrauchs-Schranke

Wo bleibt der gläserne Finanzbeamte?
Das vom Finanzminister versprochene Vier-Augen-Prinzip sei zu wenig. Ein unabhängiger Rechtsschutzbeauftragter könnte eine Lösung sein, sagt Hübner. Voraussetzung sei, dass "die Schritte der Behörde überprüfbar werden und Missbrauch wirklich ausgeschlossen werden kann".

KPMG-Steuerexpertin Verena Trenkwalder sieht zwei Stoßrichtungen der Finanz: Den normalen Arbeitnehmer, der Falschangaben (z.B. zu hohe Sonderausgaben oder Werbungskosten) bei seiner Steuererklärung gemacht hat. Und schwarzgeldanfällige Berufe und Branchen – vom Gastronomen bis zur Friseurin, vom Bau bis zum Einzelhandel.

Trenkwalder: "Die Frage ist immer, wie weit geht man hier? Wenn ein Einzelunternehmer daneben vier, fünf Privatkonten hat, ist er schon verdächtig? Werden die Konten rein auf Verdacht geöffnet? Es liegt zu viel im Ermessen der Finanzbeamten, eine Begründungspflicht fehlt."

FinanzOnline kann dabei ein Einfallstor für kritische Finanzprüfer sein. Computergestützt werden Hunderttausende Arbeitnehmerveranlagungen auf ihre Plausibilität hin gescannt, Ausreißer und Auffälligkeiten sind schnell entdeckt. Kann der Steuerpflichtige nicht jede Ungereimtheit aufklären, nicht alle Unterlagen vorlegen, sind die Konten rasch geöffnet.

Sozialleistungen?

BDO-Experte Reinhard Rindler denkt zuerst an die große Mehrheit der Steuerehrlichen, die nichts zu verbergen haben. Das Gesetz sei daher prinzipiell richtig, aber: "Die Einsichtmöglichkeiten der Finanz sind schon sehr weitgehend. Vor allem sprechen wir hier vom ersten Schritt. Wenn man weiterdenkt, ergibt sich in Kombination etwa mit Grundstück-Registern eine sehr gute Basis für eine Vermögenssteuer oder man ist schnell bei der Kontrolle des Bezugs von Sozialleistungen."

Die Industrie klagt bereits: "Es ist nicht verständlich, warum die geplante Konteneinsichtnahme für Unternehmen und natürliche Personen gelten soll, die Steuern zahlen, alle anderen aber, z.B. bei vermutetem Missbrauch von Sozialleistungen, davon ausgenommen werden."

Ein Richtervorbehalt, den es in der Justiz gibt, ist gescheit“ – das hat Justizminister Wolfgang Brandstetter vor einer Woche im KURIER zum Vorhaben des Finanzministers gesagt, der Finanz zu gestatten, bei „begründetem Verdacht“ des Steuerbetrugs, aber ohne Richterbeschluss auf Konten zu schauen. Reaktion von Kanzler und Vizkanzler: Einen Richter werde es nicht geben, ein Rechtsschutzbeauftragter sei denkbar. Wäre Brandstetter damit zufrieden? „Mir geht es um ein weisungsfreies Organ. Ob das ein Richter des Bundesfinanzgerichts oder ein Strafrichter ist, ist sekundär. Wir haben auch mit Rechtsschutzbeauftragten gute Erfahrungen gemacht, mit einem solchen hätte ich keine Bedenken“, sagt Brandstetter dem KURIER.

Warum hat der Justizminister der Steuerreform inklusive Betrugsbekämpfung im Ministerrat zugestimmt, hernach die Bankgeheimnis-Regelung kritisiert? „Dort wurde ja nur eine allgemeine Punktation beschlossen. Nicht darin enthalten ist, wie man die Balance zwischen Steuerbetrugsbekämpfung und dem notwendigen rechtsstaatlichen Schutz im höchstpersönlichen Bereich halten kann.“ Der Zeitdruck für das „Riesenprojekt“ Steuerreform sei groß gewesen: „Da kann man nicht alles in jede Richtung durchdenken. Dazu gibt es ja die Gesetzesbegutachtung. Der Entwurf wird jetzt noch besser.“

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