WKStA-Bilanz: Berichtspflicht und Widerspruch als "Bremsfaktor" bei Verfahren

WKStA-Bilanz: Berichtspflicht und Widerspruch als "Bremsfaktor" bei Verfahren
In ihrem Jahres-Mediengespräch präsentierte die WKStA den Schwerpunkt Cybercrime, stellte aber auch klar, warum manche "clamorose" Verfahren so lange dauern. Ihre Wünsche an die neue Regierung verrät Behördenleiterin Vrabl-Sanda nicht.

Richter und Staatsanwälte rufen Sie nicht an und verlangen Geld von Ihnen. Sie schicken auch keinen Gerichtsdiener auf einen Parkplatz für die Geldübergabe. 

Zwei Dinge, die dem Mediensprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Martin Ortner, extrem wichtig sind, zu betonen. Denn: So simpel solche Maschen von Betrügern, die sich als Polizisten und neuerdings auch als Richter und Staatsanwälte ausgeben, auch klingen mögen - sie ziehen. Jedes zweite neue Großverfahren bei der Ermittlungsbehörde ist mittlerweile ein Fall von Online-Betrug bzw. Cybercrime, wie am Mittwoch beim Jahres-Mediengespräch der WKStA erklärt wurde.

WKStA-Bilanz: Berichtspflicht und Widerspruch als "Bremsfaktor" bei Verfahren

Und er betont auch: "Wenn Ihnen so etwas passiert: Keine falsche Scham, nicht genieren, sondern sofort zur Polizei und Anzeige erstatten. Die Täter sind psychologisch gut geschult und begabt - es kann wirklich jedem passieren."

Betrug als "Business Plan"

Die Betrugswirtschaft sei ein stark wachsender Ermittlungsbereich, der sich verändert habe, erklärt Wolfgang Handler, der bei der WKStA selbst in Großverfahren ermittelt. Zuständig wird die WKStA bei einem Schaden ab fünf Millionen Euro. 

Handler erklärt: "Früher war es der ordentliche Kaufmann, der zum Kriminellen wurde, weil sein Unternehmen in Schieflage geraten ist. Jetzt haben wir Kriminelle, die sich als ordentlicher Kaufmann ausgeben. Betrug ist der Business Plan." 

Offene Verfahren

Insgesamt sind bei der WKStA aktuell rund 200 Verfahren anhängig, sprich: im Laufen. 77 davon fallen in die Kategorie "Großverfahren". Und obwohl, wie erwähnt, der Bereich Cybercrime immer größer wird, sind es vor allem die "clamorosen" Fälle - oft mit Beteiligung von Polit-Prominenz - für die die WKStA öffentlich bekannt ist. 

Offen sind beispielsweise noch einzelne Stränge der Ibiza- bzw. Casinos-Causa. Viele Stränge wurden schon eingestellt, gegen Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache wird noch wegen Vorteilsannahme ermittelt. Offen ist auch die gesamte ÖVP-Inseratencausa rund um Steuergeld, das zugunsten des damaligen ÖVP-Chefs Sebastian Kurz in den Boulevard gepumpt worden sein soll. Fahrt aufgenommen haben zuletzt auch die Ermittlungen rund um die Signa-Pleite. Gründer René Benko wurde Ende Jänner in U-Haft genommen. 

"Bremsfaktoren"

Weil die WKStA immer wieder mit dem Vorwurf der überlangen Verfahrensdauer konfrontiert ist, nutzen Behördenleiterin Ilse Vrabl-Sanda und Ermittler Handler die Jahrespräsentation auch zur Aufklärung für die anwesenden Journalisten. 

So werden drei "Bremsfaktoren" erläutert: Erstens die Widerspruchs- und Sichtungsverfahren. Anwälte und Steuerberater hätten in Österreich das "exklusive Recht", sofort Widerspruch einzulegen, wenn bei ihnen Datenträger sichergestellt werden, erklärt Handler. Grund ist das Berufsgeheimnis - es reiche da aber die bloße Behauptung. "Damit sind Beweismittel für die nächsten paar Jahre im Leo." 

Die Daten müssen dann in einem Sichtungsverfahren von einem Richter geprüft werden. Wenn dieser Daten freigibt, kann der Betroffene wieder Widerspruch einlegen. 

Als aktuelles Beispiel wird die Causa Commerzialbank genannt. Das Sichtungsverfahren zu Daten, die 2020 bei einem Steuerberater sichergestellt wurden, sei heute noch immer nicht abgeschlossen. Handler nennt auch einen Fall, in der die Sicherstellung ins Jahr 2018 zurückdatiert. 

Der zweite "Bremsfaktor" sind fehlende Ressourcen bei der Kriminalpolizei und internationale Rechtshilfe, der dritte das Berichtswesen. Bei "clamorosen" Fällen - also bei Fällen, die öffentlich relevant und wichtig sind - muss die WKStA bei der Einleitung von Ermittlungen, bei größeren Ermittlungsschritten und vor der Erledigung Vorhabensberichte "von oben" absegnen lassen. Erst von der Oberstaatsanwaltschaft, dann vom Justizministerium, in einigen Fällen wird auch der Weisungsrat konsultiert. 

Und das dauert. Bei der Causa Wienwert, die kürzlich zur Anklage gebracht wurde, war man mit vier Monaten recht flott, bei der Falschaussage-Anklage gegen Ex-Kanzler Kurz dauerte es rund acht Monate. Der Kronzeugen-Antrag von Thomas Schmid wurde zwei Jahre lang von der Fachaufsicht bearbeitet.

"Glaube nicht, dass wir ohne Fachaufsicht auskommen"

Betont wird bei dem Pressegespräch aber, dass man die Fachaufsicht per se nicht infrage stellen wolle. "Ich glaube nicht, dass man ohne auskommen würde", sagt WKStA-Chefin Vrabl-Sanda. Sinnvoll wäre nur, "sich das genau anzuschauen und zu evaluieren". Viel sei über eine Evaluierung geredet worden, evaluiert worden sei aber weniger. Auf die Frage, ob sie sich weniger Berichtspflichten wünsche, geht die Leiterin dann nicht weiter ein. 

Bei Nachfragen zu ihren Forderungen an die neue Regierung, die am Montag stehen sollte, winkt Vrabl-Sanda ab. "Ich möchte niemanden begrüßen mit einer Wunschliste, die ich über die Medien ausrichte", sagt sie.

Freuen dürfte sie - auch, wenn sie es sich nicht anmerken lässt - die gestern publik gewordene Einigung von ÖVP, SPÖ und Neos zur Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft als neue Weisungsspitze bei Strafverfahren. 

Sollte alles nach Plan laufen, wird die WKStA ihre Vorhaben künftig nur noch an die neue, unabhängige Behörde berichten. Vrabl-Sanda war Teil eines Expertengremiums, das vor rund drei Jahren dafür einen Plan ausgearbeitet hat. Der Kernpunkt, dass diese Institution nicht aus einer Einzelspitze besteht, sondern dass ein Kollegialorgan entscheidet, dürfte fix sein. 

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