WKO: Blaue Petition für Kammer-Reform, Grüne und Neos wollen Rücklagen angreifen

WKO: Blaue Petition für Kammer-Reform, Grüne und Neos wollen Rücklagen angreifen
Seit dem Rückzug von Harald Mahrer an der WKO-Spitze wird die Kammer von allen Seiten infrage gestellt - nur AK und Gewerkschaft schweigen.

Alles dreht sich, alles bewegt sich seit dem 3. November, dem Bekanntwerden der 4,2 Prozent-Gehaltserhöhung für die 5.800 Mitarbeiter der Wirtschaftskammer (WKO).

Kein Tag vergeht, an dem die WKO wie deren Länderkammern nicht kritisiert oder deren Existenz gar zur Gänze infrage gestellt werden. 

Nur die Spitzen von Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund äußern sich auch vier Tage nach dem Rückzug von Harald Mahrer von allen Ämtern und der nicht enden wollenden Kritik an der Wirtschaftskammer nicht. Zumindest nicht öffentlich. Kein obligatorisches "Danke für die vergangenen 7,5 Jahre" oder derlei mehr. Nach den Beweggründen gefragt, gibt man sich dem KURIER gegenüber weiterhin bedeckt.

Harald Mahrer, Pressekonferenz am 10. November 2025

Ob aus Sorge, im Zuge der WKO-Kritik selbst ins Scheinwerferlicht zu gelangen, oder, weil die Beziehung zwischen Mahrer und den Arbeitnehmer-Vertretern, also Gewerkschaftsboss Wolfgang Katzian und Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl, doch nicht so gut war, wie öffentlich vermutet, das wissen nur die Beteiligten.

Ehe Martha Schultz als designierte Nachfolgerin von Mahrer an der Spitze der Wirtschaftskammer Österreich gewählt werden soll (am 26. und 27.11. sind turnusmäßige Sitzungen des Wirtschaftsbundes und der Wirtschaftskammer), überschlagen sich Länderkammer-Präsidenten, Funktionäre, die Opposition und zwei Regierungsparteien förmlich mit Ideen. 

Georg Knill

Den Anfang machte am Freitag vergangener Woche der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Georg Knill. Die IV tritt für eine schrittweise Reduktion der Kammerumlagen 1 und 2 ab 2027 um jeweils zehn Prozent ein. Bis 2029, so die IV-Idee, soll so das Beitragseinkommen um 30 Prozent reduziert werden. 

Zudem will die IV, dass jene Unternehmen, die größer sind und daher höhere Beiträge leisten auch mehr Mitspracherecht in der WKO haben und tritt daher für eine Evaluierung des Wahlrechts ein. 

Apropos Umlagen: Diese zu reformieren bzw. jedenfalls zu reduzieren eint alle Kritiker - bis hin zu Kammerfunktionären selbst. 

Die Salzburger Wirtschaftskammer unter der der Leitung von Präsident Peter Buchmüller geht in Vorlage und will drei Millionen einsparen, indem er die Kammerumlage im eigenen Bundesland reduziert. „Ich werde in der nächsten Zeit – habe ich mir vorgenommen – drei Millionen einsparen. Wir werden die Kammerumlage 2 auf 0,20 absenken". 

Ob sein Beispiel auch in anderen Bundesländern Schule machen könnte, das wird sich weisen.

KURIER Grafik

Schneller ist die Reaktion auf die anhaltende Kritik an der Erhöhung der Funktionsentschädigungen

Zur Erinnerung: Im August kommen die neun Länderkammern und die Wirtschafskammer Österreich überein, nach drei Jahrzehnten die Entschädigungen für Wirtschaftskammerpräsidentinnen und -präsidenten sowie deren Stellvertreter anzuheben. Einzig Vorarlberg und Kärnten erhöhen ihre Zahlungen nicht und bleiben bei 6.977 Euro brutto monatlich - und das 12 Mal im Jahr. Alle anderen Länder inklusive der WKO-Spitze Österreich heben um 50 Prozent und mehr an.  Ob des nicht endenden Unmuts darüber, lenken die ersten Länder nun ein. 

Die Tiroler Landeskammer will die höhere Entschädigung zurücknehmen, ihr niederösterreichisches Pendant diese aussetzen. Das alles geht einzelnen Parteien - auch jenen der Dreierkoalition - nicht weit genug. 

Die Neos wollen nicht nur eine Rücknahme der "unverschämten Funktionärsbezüge" sowie der "absolut unverständlichen Lohnerhöhung", so der pinke Klubobmann Yannick Shetty. Wie die Freiheitlichen fordert die kleinste Regierungspartei ein Ende der Pflichtmitgliedschaft in der Kammer. 

Wie ernst es die größte Oppositionspartei FPÖ mit ihrem Ansinnen meint, zeigt sich auch in einer Petition. Online wirbt die Freiheitliche Wirtschaft dafür, die Pflichtmitgliedschaft abzuschaffen, die Struktur der Kammer zu reformieren und ähnlich der IV, den Wahlmodus in der Kammer und an deren Spitzen zu ändern. Die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft funktioniere, so FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz, auch bei Autofahrerclubs wie ARBÖ und ÖAMTC.

Michael Schnedlitz

Anders die Haltung des neuen Chefs des SPÖ-Wirtschaftsverbandes Bernd Hinteregger: Er ist zwar für "die größte und umfassendste WKO-Reform aller Zeiten“, wozu auch eine eine Deckelung der Kammerumlagen und eine Modernisierung des Wahlrechts gehöre, aber für die Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft. Sie habe sich seit Jahrzehnten etabliert und als gut erwiesen. 

In schlechten Zeiten die Rücklagen auflösen wollen die Grünen. Sabine Jungwirth, Sprecherin der Grünen Wirtschaft, will einen Teil der rund zwei Milliarden Rücklagen zu Gunsten der Mitglieder auflösen. "Die Kammer ist kein Sparverein", so Jungwirth auf Ö1

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