Wann wird gewählt?
Von Montag an wählen die Selbstständigen ihre gesetzliche Interessensvertretung. Das Wahlprozedere ist sehr kompliziert, das beginnt schon damit, dass in jedem Bundesland zwischen 2. und 5. März an unterschiedlichen Tagen gewählt wird. Nur die Ergebnisse kommen einheitlich – am Freitag.
Wer wählt wen?
Die Unternehmer geben ihre Stimme bei der sogenannten Urwahl ab. Dabei wählen sie die Mitglieder der Fachgruppenausschüsse und die Fachvertreter ihrer Branche direkt. Die Mitglieder der übrigen Kollegialorgane (der Fachverbandsausschüsse, der Spartenkonferenzen sowie der Präsidien, erweiterten Präsidien und Wirtschaftsparlamente der Kammern) werden gemäß dem Ergebnis der Urwahlen durch indirekte Wahlen bestimmt. Der Präsident der jeweiligen Landeskammer wird vom dortigen Wirtschaftsparlament bestimmt. Wegen der Vormachtstellung des Wirtschaftsbundes (Wahlergebnis 2015: 66,6 %) haben alle Bundesländer ÖVP-Kammerpräsidenten. Auch die Dachorganisation Wirtschaftskammer Österreich hatte seit 1945 nur VP-Präsidenten. Vor Mahrer war das Christoph Leitl.
Welche Bedeutung hat die Wahl prinzipiell?
Die Wirtschaftskammer prägt als Bestandteil der Sozialpartnerschaft das politische Geschehen in Österreich entscheidend mit. Das reicht von den Kollektivvertragsverhandlungen mit der Gewerkschaft bis zur Einflussnahme auf den Gesetzwerdungsprozess. Geht der ÖVP-Wirtschaftsbund gestärkt aus der Wahl hervor, bedeutet das indirekt auch eine Stärkung der Kanzlerpartei unter Sebastian Kurz.
Was macht die Kammer-Wahl 2020 relevant?
Vor allem die Situation in Wien. Hier kämpft Kammerpräsident Walter Ruck um seine absolute Mehrheit. Schon 2015 war es sehr knapp (50,6 Prozent). Wird Ruck aber gestärkt, soll er Ambitionen haben, Finanzminister Gernot Blümel an der Spitze der Wiener ÖVP abzulösen. Eine große Koalition in Wien gilt dann als eine Denkvariante.
Wie steht es um die anderen Fraktionen?
Spannend wird auch das Match um Platz 2 zwischen dem Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (2015: 10,8 Prozent) sowie der Grünen (9,1 Prozent) und Freiheitlichen Wirtschaft (9,4 Prozent).
Die roten Wirtschaftstreibenden unter Christoph Matznetter müssen ihren zweiten Platz verteidigen, um sich als Oppositionskraft in der Kammer zu behaupten.
Die Grüne Wirtschaft unter Sabine Jungwirth (Lebensgefährtin von Werner Kogler) will nach der Regierungsbeteiligung auch in der Wirtschaftskammer bundesweit Fuß fassen. Schwieriger wird es für die Blauen unter Matthias Krenn – nicht nur wegen der Turbulenzen in der Bundespartei. Krenn hatte als Bürgermeister von Bad Kleinkirchheim mit einem der ersten Corona-Verdachtsfälle zu kämpfen und muss als Obmann der neuen Österreichischen Gesundheitskasse den Dauerstreit um das erwartete Milliardendefizit schlichten.
Matznetter: "Stimmen auch über Loge am Opernball ab"
Christoph Matznetter, Chef des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, will wieder zweistellig werden und den zweiten Platz halten. Statt der geplanten, generellen Senkung der Körperschaftssteuer (KöSt) von 25 auf 21 Prozent, will er eine Staffelung, von der Kleinbetriebe profitieren. Matznetter sagt: „Null Prozent bis 30.000 Euro Gewinn, 21 Prozent bis 200.000, darüber 25 Prozent. So eine progressive KöSt wäre sinnvoller und billiger. Sie entlastet jene kleinen Betriebe, die es brauchen, und kostet 200 Millionen statt 1,6 Milliarden.“
Auch die Selbstbehalte in der Kasse für Selbstständige sind ihm ein Dorn im Auge. „Wir wollen den kostenfreien Zugang zur Versorgung und keine Strafe für Kranke.“
Die Troubles von Parteichefin Rendi-Wagner würden bei der Kammerwahl keine Rolle spielen, glaubt bzw. hofft Matznetter. Sein Hauptgegner heißt Harald Mahrer: „Das Kammer-Wahlrecht ist undemokratisch und undurchschaubar. Wir müssen den Wählern klar machen, dass sie nicht nur über ihren Innungsmeister abstimmen, sondern auch über die Loge beim Opernball.“
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