Wirkungsorientierte Radarkontrollen: "Naiver und fachunkundiger Vorschlag"

(Symbolbild)
Rasen als Kavaliersdelikt und uneinheitliche Bußgelder für Temposünder in den Bundesländern – Kickls Vorschlag für ortsspezifische Radarkontrollen zieht eine Debatte unter Experten nach sich.

413 Menschen kamen 2017 auf Österreichs Straßen ums Leben. "Jeder schwere Verkehrsunfall ist mit viel Leid für die Opfer und deren Angehörigen verbunden, deshalb ist größtmögliche Verkehrssicherheit ein wichtiges Anliegen für die Polizei und das BMI", kommentierte Innenminister Herbert Kickl die Bilanz am Montag.

Am selben Tag wurde sein neuer Vorschlag zum Einsatz von Radarkontrollen bekannt. Wie er in einem Interview mit der Kleinen Zeitung sagte, möchte Kickl schon bald die Anweisung erteilen, Radarpistolen nur noch dort einzusetzen, wo die Verkehrssicherheit durch Raser gefährdet ist. Bei Vorgesprächen mit der Polizei sei er auf großes Verständnis gestoßen. Wann und wo die Kontrollen genau stattfinden, soll laut Kickl der jeweils zuständige Polizeikommandant entscheiden.

Jeder vierte Unfall wegen nicht angepasster Geschwindigkeit

Während Martin Hoffer, Chefjurist des ÖAMTC, Kickls Plan begrüßt, stehen andere dieser Forderung kritisch gegenüber. Für Christian Gratzer vom Verkehrsklub Österreich (VCÖ) leiste die Radarüberwachung grundsätzlich einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit. „Wie man in der aktuellen Unfallstatistik sieht, passiert immer noch jeder vierte Unfall wegen nicht angepasster Fahrgeschwindigkeit“, sagt er. "Den Verkehrsteilnehmern muss bewusst gemacht werden, dass sie sich an das Tempolimit zu halten haben."

Hermann Knoflacher vom Institut für Verkehrswissenschaft der TU Wien nennt Kickls Plan im KURIER-Gespräch einen „sehr naiven und fachunkundigen Vorschlag“. „Es ist, wie wenn ich versuche, Tuberkulose zu heilen, indem ich die offene Tuberkulose behandle, aber keine präventiven Maßnahmen treffe“, sagt er. Mit einem „wirkungsorientierten Einsatz“ der Radarkontrollen laufe man Temposündern immer nur hinterher. Außerdem sei es falsch, Radarstrafen, wie Kickl angedeutet hatte, für Schikane oder „Abzocke“ zu halten. Denn: "Die Kontrollen gibt es, um Leben zu retten", meint Knoflacher.

Bußgelder vereinheitlichen

Auch Bettina Schützhofer, Verkehrspsychologin und Institutsleiterin von "sicher unterwegs", hält „zufällige“ Radarkontrollen für wirkungsvoll, da die Akzeptanz von Tempolimits in Österreich relativ gering ist. „Rasen ist hier immer noch ein Kavaliersdelikt, die Gefährlichkeit wird unterschätzt“, sagt sie. Außerdem würden sich Autofahrer daran stoßen, dass sich die Bußgelder für Tempoüberschreitungen je nach Bundesland unterscheiden. "Hier wäre eine Vereinheitlichung sinnvoll", meint Schützhofer. Allerdings gibt sie zu bedenken, dass Radarkontrollen generell nur dann sinnvoll seien, wenn gleichzeitig an der Bewusstseinsbildung der Fahrer gearbeitet, und mehr Akzeptanz für Tempolimits geschaffen werde. "Dafür braucht es von politischer Seite eine interdisziplinäre Anstrengung", sagt die Expertin.

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