Wie stieß die Staatsanwaltschaft zu diesen Chats zwischen dem Ex-Sektionschef und der Journalistin? Im Februar 2021 wurde das Handy von Pilnacek beschlagnahmt, weil die Staatsanwaltschaft vermutete, er habe eine Hausdurchsuchung an Investor Michael Tojner verraten.
Man durchsuchte das Handy nach dem Namen „Thalhammer“ – sprich, die Justiz suchte bewusst nach Chats mit Journalisten. Durch einen Zufallsfund wurde der Chat zwischen dem einst mächtigsten Beamten im Justizministerium und der KURIER-Journalistin gefunden. Genau in diesem Fund liegt die Crux an der Sache: Denn Quellenschutz und Redaktionsgeheimnis sind die wichtigsten Säulen des unabhängigen Journalismus, um brisante Informationen zu erhalten und Missstände aufzudecken.
Daher dürfen Handys von Journalisten nicht von der Justiz beschlagnahmt werden, weil die Inhalte dem Redaktionsgeheimnis unterliegen. „Allerdings existiert hier eine Lücke, denn wenn ein Chat auf dem Handy einer anderen Person gefunden wird, wie im Fall Pilnacek, fällt der Inhalt des Chats nicht mehr unter das Redaktionsgeheimnis“, erklärt Georg Krakow, der ehemalige Oberstaatsanwalt und Vorstand der Antikorruptionsorganisation Transparency International.
Dieser Widerspruch wird beim Pilnacek-Prozess Anfang November sichtbar werden. Denn wenn die Staatsanwaltschaft den Inhalt der Chats zwischen Pilnacek und der KURIER-Journalistin im Gerichtssaal öffentlich macht, ist das rechtlich gedeckt. Sobald bei der Gerichtsverhandlung die KURIER-Journalistin in den Zeugenstand tritt, kann sie die Aussage verweigern, weil die Chats eben unter das Redaktionsgeheimnis fallen. Eine fast absurde Situation.
Krakow fordert, dass sich die Politik diesem brisanten Thema annehmen und die Gesetzeslücke schließen muss. 2016 existierte eine ähnliche Lücke noch bei Strafverteidigern. „So konnten Ermittler zwar die Kopien von Briefen an Mandanten, die der Anwalt archivierte, nicht beschlagnahmen. Doch der gleiche Brief konnte beim Mandanten sehr wohl sichergestellt werden. Dieser Widerspruch wurde mit einer Gesetzesnovelle korrigiert“, schildert Krakow.
Das Gesetz für die Sicherstellung von digitalen Geräten sei ein „Flickwerk“. „Das Redaktionsgeheimnis muss man durchgängig und ausreichend schützen“, kritisiert Krakow. Denn es könne nicht sein, dass das „Redaktionsgeheimnis auf der einen Seite für Staatsanwälte geschlossen ist und auf der anderen Seite offen steht“.
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