Es ist kein Zufall, dass der Bundeskanzler immer vom 1. Mai spricht, an dem Handel und Dienstleistungen wieder ermöglicht werden sollen. Sebastian Kurz wählt seine Worte mit Bedacht und er weiß ganz genau: An diesem Tag ist der Staatsfeiertag. Trotzdem hält er daran fest und spricht vom 1. Mai. Warum? Er will damit etwas bewirken. Ich unterstelle ihm: Er will den 1. Mai in Misskredit bringen.
Ist das nicht reichlich spekulativ?
Das glaube ich nicht. Warum spricht ÖVP-Klubobmann August Wöginger immer vom 2. Mai – also vom ersten Tag, an dem wirklich offen sein wird? Manche Frisöre haben mit ihren Kunden für 1. Mai Termine ausgemacht und kommen jetzt d’rauf, dass sie an diesem Tag noch geschlossen halten müssen. Das schafft Verärgerung – und ich fürchte, die ist dem Regierungschef ganz recht. Man muss das große Bild sehen: Auch die Frage um die Sonntagsöffnung geht schon wieder los, weil die Wirtschaft sagt: ,Wir müssen die Umsätze wieder gutmachen‘. Der Druck wird steigen. Aber wir lassen uns den 1. Mai sicher nicht wegnehmen.
Die Krise wird eine völlig veränderte Gesellschaft bringen, eine halbe Million Menschen ist arbeitslos. Wie geht’s weiter?
Insgesamt ist die Lage noch dramatischer. Denn von der Kurzarbeit, die ich für eine sehr gute und erfolgreiche Maßnahme halte, macht fast eine Million Menschen Gebrauch. Zusammen mit den Arbeitslosen ist das eine unglaubliche Zahl. Ich fordere, dass die Netto-Ersatzrate beim Arbeitslosengeld endlich auf 70 Prozent angehoben wird. Derzeit müssen Arbeitslose mit der Hälfte ihres Netto-Lohns auskommen – das ist für viele eine Katastrophe. Zur Zukunft: Wie bei jeder Krise wird die Zahl der Arbeitslosen leider nach der Krise höher sein als vor der Krise. Es wird zur Arbeitsverdichtung kommen, und nicht alle, die durch Corona ihren Job verloren haben, werden ihn nach der Krise auch wieder zurückbekommen. Gerade was die älteren Arbeitnehmer angeht, müssen wir wachsam sein und sollten Programme entwickeln, damit sie in Arbeit gehalten und gebracht werden können.
Geht die Regierung auf die Sozialpartnerschaft wieder mehr ein?
Die Situation ist besser als sie vorher war. Die Sozialpartner werden anders eingebunden, aber man darf sich nichts vormachen: In letzter Konsequenz macht die Regierung was sie selbst für richtig hält.
Zur SPÖ: Die Umfragewerte liegen stabil unter 20 Prozent. Woran liegt das?
Die Zeit der SPÖ wird wieder kommen, weil die Menschen in der Krise sehen, welche Parteien für die Menschen da sind – und welchen das Kapital wichtig ist. Die Menschen wachen langsam auf und sehen das ja auch an der Bewältigung der Pandemie.
Was meinen Sie?
Von der Regierung werden extreme Angstbilder geschürt. Da wird immer noch und sehr viel von Särgen und Massengräbern gesprochen. Dadurch wird von vielen anderen Themen abgelenkt.
Aber die Warnung vor einer Überlastung des Gesundheitssystems kommt doch von Ärzten und Seuchen-Experten…
Verstehen Sie mich nicht falsch: Am Beginn der Epidemie waren die Maßnahmen richtig. Aber die Zahlen sind stabil und die scharfe "Law and Order"-Strategie ist jetzt nicht mehr nötig. Die Regierung übertreibt über weite Strecken. Die Menschen wissen, wie wichtig Abstand und Hygiene sind. Und trotzdem wird ohne großen parlamentarische Debatte über Maßnahmen von Überwachung und Selektion nachgedacht. Als Sozialdemokratie müssen wir da sehr wachsam sein.
Eine Frage noch zur Mitgliederbefragung der SPÖ: Warum werden die Zahlen nicht endlich veröffentlicht?
Die Ergebnisse werden am 6. Mai veröffentlicht.
Und Pamela Rendi-Wagner?
Sie ist und bleibt unsere Vorsitzende.
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