Wie Türkis und Grün die Corona-Krise managen
Rund 245 Infizierte - und dennoch ist die Bundesregierung mit kaum noch etwas anderem als mit der Corona-Krise beschäftigt. Warum das so ist, recherchierte der KURIER hinter den Kulissen des Ministerrats.
Wie umfassend die Krise ist, leitet sich nicht aus der aktuellen Zahl der Infizierten ab, sondern aus den Maßnahmen, die nötig sind, um eine exponenzielle Ausbreitung des Virus zu verhindern. Je umfassender und rascher sich das Virus ausbreitet, desto mehr Menschenleben werden riskiert, vor allem ältere Personen und Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen sind gefährdet.
Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, wird nun das öffentliche Leben eingeschränkt. Und das hat umfassende Folgen.
Gesundheitsministerium gibt Takt vor
Für die öffentliche Gesundheit ist das Gesundheitsministerium zuständig, also Rudolf Anschober als Minister. Dieses Ministerium gibt inhaltlich den Takt vor, was zu tun ist. Der Krisenstab bei Gesundheitsminister Anschober wird vom Chefbeamten für Seuchenbekämpfung, dem Virologen Bernhard Benka, geleitet. Ein medizinischer Beirat, dem alle bekannten Virologen Österreichs angehören, wurde beigezogen. Unter Benkas Leitung werden bereits seit Jänner Krisenszenarien für Österreich durchgespielt: Wie könnte die Ansteckung verlaufen? Wie muss man in welchem Szenario gegensteuern?
Ebenfalls prominent im Krisenmanagement vertreten ist das Innenressort unter der Leitung von Karl Nehammer. Es ist für Katastrophenmanagement, öffentliche Ordnung und Grenzkontrollen zuständig.
Viele Fachminister im Kriseneinsatz
Auch viele andere Fachminister sind inzwischen im Corona-Einsatz.
Wegen der eingeschränkten Reisetätigkeit geraten Tourismusunternehmen ins Trudeln. Daher hat die zuständige Ministerin Elisabeth Köstinger am Dienstag einen Tourismus-Krisengipfel abgehalten.
Generell ist die Arbeitswelt betroffen - manche Firmen müssen bereits Kurzarbeit einführen (die AUA), Betriebe sollen ihre Arbeitnehmer möglichst in Heimarbeit schicken. Und ein riesiges Problem ist zu bewältigen, wenn die Schulen schließen: Wer passt auf die Kinder auf? Daher ist sind auch Arbeitsministerin Christine Aschbacher und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gefragt.
Und Bildungsminister Heinz Faßmann wegen des Schließens von Unis und Schulen sowieso.
Werner Kogler ist nicht nur als Vizekanzler involviert, sondern auch als Kultur- und Sportminister aufgrund der abgesagten Events und der Probleme, die sich daraus für die Kultur- und Sportwirtschaft ergeben.
Das Außenministerium von Alexander Schallenberg ist eine Verbindungstelle zu anderen betroffenen Ländern und liefert Informationen über den Stand der Krise bei den Nachbarn und sonstwo in der Welt.
Transportministerin Leonore Gewessler ist in Sachen Flugverkehr betroffen.
Finanzminister Gernot Blümel muss sein Budget umschreiben und doppelt Vorsorge treffen: Halten die Zahlen, wenn die Konjunktur zurück geht? Und sind Sonderausgaben für Wirtschaftshilfen nötig?
Zwei Mal täglich Krisenbriefing
Über all dem ist Kanzler Sebastian Kurz als verfassungsmäßig zuständiger Koordinator der Bundesregierung im Dauereinsatz. Am Montag hielt er eine zweistündige Telefonkonferenz mit den EU-Staats- und Regierungschefs ab. Kurz steht in Dauerverbindung mit Italien und anderen Nachbarländern, mit den Ministern und den Landeshauptleuten. Zwei Mal täglich wird die Bundesregierung von ihrem Krisenstab über die jüngsten Corona-Entwicklungen in Österreich und im Ausland, insbesondere bei den Nachbarn, gebrieft.
Eifersucht zwischen Grün und Türkis
Zu Beginn der Krise kam es zwischen Türkis und Grün zu eifersüchtigen Irritationen. Die Grünen wollten Gesundheitsminister Anschober zum Chef-Krisenmanager aufbauen. Sie versuchten, die Türkisen, allen voran Kanzler Kurz, von der Bühne fern zuhalten. So erklärt sich auch eine Kurz-kritische Message, die ein Kanzlersprecher versehentlich über Twitter publiziert hatte. Es handelte sich dem Vernehmen nach um eine Protestmitteilung seitens der Grünen, die als Irrläufer den Weg in die Öffentlichkeit fand.
Die Anfangsirritationen sind inzwischen abgeebbt. Wenn 80 Prozent der Ministerien von einer Krise betroffen sind, Schulen und Universitäten geschlossen werden, kann sich ein Kanzler wohl nicht raushalten. Angela Merkel wird in Deutschland von der Öffentlichkeit Versagen vorgeworfen, weil sie nicht durch die Krise führe.
Kein ideologischer Grund zum Streiten
Auf die Gruppendynamik in der Regierung habe die Krise sogar einen positiven Effekt. Ein Beobachter: "Es gibt keine ideologisch begründeten Anlässe zum Streiten. Es geht ganz pragmatisch darum, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zu tun."
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