Wie Städte auf ein steigendes Ordnungsbedürfnis reagieren

Verbotsflut in den Wiener U-Bahnen.
Von Sauberkeits-Apps bis Ordnerdiensten: Das neue Essverbot in Wiens U-Bahnen liegt voll im Trend.

Man stelle sich vor, die Grüne Maria Vassilakou hätte ein Burenwurstverbot in der Wiener U-Bahn gefordert mit der Begründung, die Fleischproduktion begünstige den Klimawandel.

Ein Sturm der Entrüstung hätte sich erhoben. „Das wäre als Bevormundung, als Einmischung in den persönlichen Lebensbereich durch eine weltfremde Verbotspartei aufgefasst worden“, mutmaßt der Politologe Fritz – wohl nicht zu Unrecht.

Ab Jänner 2019 wird in der Wiener U-Bahn – im Ramen eines generellen – der Burenwurst tatsächlich der Garaus gemacht. Und siehe da, das stößt auf viel Applaus. „So wie die Wiener Linien das Verbot begründen, wird es als Schutzmaßnahme verstanden und von der Bevölkerung mehrheitlich unterstützt“, sagt Plasser.

Das gleiche Verbot, zwei Welten.

Den Unterschied machen die Emotionen. „Dient ein Verbot der Sauberkeit und der Ordnung, hebt es das subjektive Sicherheitsgefühl“, sagt Christian , Fachreferent beim Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP).

„Man darf nicht vergessen, dass in Österreich – wie übrigens auch in der Schweiz und in Deutschland – das Ordnungsbedürfnis immer schon sehr ausgeprägt war. Österreich war nie ein Land mit ultra-libertärer Gesellschaft“, sagt Plasser.

Wie Städte auf ein steigendes Ordnungsbedürfnis reagieren

Beispiel Salzburg: Uniformen, Verhaltensmaßregeln und Verbote sollen das Sicherheitsgefühl im urbanen Raum und in den Öffis heben.

Sehnsucht nach Ordnung

Nun bekommt die Ordnungsliebe neuen Auftrieb. „Die Veränderung in den urbanen Räumen durch Migration“ würde bei bestimmten Bevölkerungsgruppen die Sehnsucht nach geordneten Verhältnissen vergrößern, meint der Professor.

Wiens SPÖ-Geschäftsführerin Barbara Novak führt das nicht nur auf Migration zurück: „Jeder Impuls von außen, der die bestehende Verhaltensroutine verändert, löst eine Neucodierung von Regeln und Vorschriften aus.“ Ein berühmtes Beispiel sei das Handy. Hier habe eine neue Technologie einen neuen Verhaltenscodex erforderlich gemacht. Frankreich hat das Handy in Schulen sogar verboten.

Auch Österreichs Politik reagiert auf offenkundig steigendes Ordnungsbedürfnis: Polizisten und uniformierte Ordnungsdienste prägen das Bild im öffentlichen Raum. Verhaltensregeln schallen in der Dauerschleife aus Bahnhofslautsprechern, Ge- und Verbote flimmern über Info-Screens in Zügen und Bussen.

Allein im heurigen April haben drei Städte sektorale Alkoholverbote eingeführt, Wien, Salzburg und Klagenfurt. „Das Alkoholverbot war ein Wunsch der Bevölkerung, und es hat sich bewährt. Die Belästigungen am Busbahnhof sind zurückgegangen“, heißt es aus Klagenfurt.

Gebote und Kampagnen

„Es müssen nicht immer Verbote und Strafen sein, in Graz setzen wir auf Gebote und Kampagnen“, sagt Köberl. Die Stadt hat eine Sauberkeits-App namens „Schau auf Graz entwickelt. Bürger können Verunreinigungen oder Unregelmäßigkeiten aller Art – von beschädigten Sitzbänken bis zu überfüllten Mülltonnen – fotografieren und über die App ans Rathaus schicken. Eine Sondereinsatztruppe kümmert sich um die Wiederherstellung der Ordnung. In Grazer Kindergärten gibt es inzwischen „Reinigungs-, Abfall- und Sauberkeitsfeste“, sagt Köberl.

Wie Städte auf ein steigendes Ordnungsbedürfnis reagieren

Auch Wien springt auf den Ordnungszug auf. Seit einigen Monaten gibt es auch hier eine Sauberkeits-App („Sag’s Wien“). Am Praterstern ist Alkohol verboten, und demnächst, nachdem 37.000 Personen online dafür gestimmt haben, auch das Essen in der U-Bahn.

Warum sich gerade die Grünen oft gegen populäre Verbote stemmen, kann Novak nicht nachvollziehen: „Wenn es keine Gebote gibt, geht das zulasten von Minderheiten und Schwachen. Gegen Verbote zu sein, ist kein linkes Konzept.“

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