Die Akademie der Wissenschaften sieht Handlungsbedarf – vor allem seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israelis und seit antisemitische Demos auch heimische Hochschulen erreichten.
„Wir erleben seit dem 7. Oktober (2023, Terrorangriff der Hamas auf Israel mit groß angelegtem Raketenbeschuss und Terrorkommando, das für etwa 1.200 Morde verantwortlich war) einen immer heterogeneren Antisemitismus. Auch an Universitäten im In- und Ausland gibt es seither antisemitische Äußerungen, Schmierereien oder Versammlungen“, erklärt Heinz Faßmann, Präsident der Gelehrtengesellschaft Akademie der Wissenschaften, den neuen Forschungsschwerpunkt.
Denn, so Faßmann: „Ein lauter Chor der Gegenstimmen hierzulande fehlt. Als Wissenschaft können wir nicht den Nahost-Konflikt lösen, aber wir können neue Formen des Antisemitismus erforschen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen, um die richtigen Maßnahmen entgegenzusetzen.“
Faßmann stellte am Mittwoch den Grazer Historiker Gerald Lamprecht vor, der den Forschungsschwerpunkt Antisemitismus in der ÖAW leitet. Lamprecht übernimmt damit die Arbeit der auf Zeitgeschichte spezialisierten österreichische Historikerin Heidemarie Uhl, die im vergangenen August plötzlich verstorben war.
Lamprecht kennt das Forschungsgebiet seit Jahrzehnten – er leitet seit fast 20 Jahren das „Centrum für jüdische Studien“ an der Universität Graz und koordiniert das Lern- und Lehrprogramm „Erinnern:at“ über Nationalsozialismus und Holocaust. Lehrende und Lernende finden hier online bestens aufbereitete Materialien, Artikel und Fakten zum Nahostkonflikt und zu israelbezogenem Antisemitismus. (LINK)
„Wir wollen an der ÖAW einen Schwerpunkt etablieren, der eine sozialwissenschaftliche Antisemitismusforschung mit einem historischen Zugang verknüpft. Der zeitliche Fokus wird auf Antisemitismus in Österreich in der Zeit nach 1945 liegen“, erklärt Lamprecht seinen Zugang, insbesondere da Antisemitismusforschung in der Zeit vor der Machtübernahme der Nazi gut erforscht sei, danach aber nicht. Im Fokus stünde dabei der Antisemitismus an österreichischen Hochschulen und um „aktuell breit diskutierte postkoloniale Kritik am Staat Israel und seiner Politik.“ Die Frage dabei sei auch, inwieweit hier eine legitime Kritik in Antisemitismus kippe.
Denn neben dem „traditionellen“ Antisemitismus gebe es den „neuen“ – aus dem linken Spektrum, der Israel als imperialistischen Unrechtsstaat darstelle und jener von muslimischen und arabischen Migranten („importierter Antisemitismus“).
Ein weiterer Themenschwerpunkt der Akademie der Wissenschaften betrifft die Veränderung antisemitischer Auseinandersetzungen und ihrer Rezeption in jüdischen Gemeinden in Österreich. Hier erforscht Ariane Sadjed vom ÖAW-Institut für Kulturwissenschaften, wie online und in sozialen Medien über Antisemitismus gesprochen wird und welche Muster sich hinter antisemitischen Postings verbergen. „Wir wollen wissen, welche Rolle Onlinemedien in der Polarisierung von Meinungen einnehmen und wie dennoch Räume des Austauschs und der Reflexion geschaffen werden können.“
Bei der Frage, wie man dem Antisemitismus entgegentreten können, sind sich die Forscher einig: Es brauche mehr Aufklärung.
(kurier.at, BerG)
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Aktualisiert am 24.01.2024, 18:15
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