Wie die Regierung die Krisen nützt
Die Regierung kann derzeit wieder von einer satten Mehrheit ausgehen. In den Umfragen liegen SPÖ und ÖVP zwar knapp unter ihrem letzten Wahlergebnis, aber solide über 50 Prozent der Wählerstimmen. Den Mandatsstand von 108 Abgeordneten könnten SPÖ und ÖVP aus heutiger Sicht sogar halten (weil Stimmen für Kleinparteien, die nicht ins Parlament kommen, nicht zählen).
Ein Grund für die Stabilität der Regierung ist die Schwäche der Opposition. Die FPÖ kommt nicht vom Fleck, ihre Bundesliste mit den in den Ländern durchgefallenen Rechtsaußen-Politikerinnen Barbara Rosenkranz und Susanne Winter signalisiert nicht gerade Aufbruch. Der Milliardär Frank Stronach lässt in den Umfragen stark nach, er liegt – im Gegensatz zum vergangenen Herbst – nur mehr im einstelligen Bereich bei sieben bis acht Prozent. Zwei Drittel der Wähler halten ihn nicht für regierungstauglich. Einzig die Grünen befinden sich derzeit im Hoch bei 14 Prozent.
Ein weiterer Grund für die Stabilität der Regierung ist ihre eigene Performance. Trotz Wahlkampfs liefern sich Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger keine kleinkarierten Scharmützel. Im Gegenteil: Sie marschieren im Gleichschritt aus dem fernen Golan ab und zu Hause durchs Hochwasser. „Wenn es brenzlig wird, muss die Regierung zusammenstehen, sonst fragen sich die Leute, ob wir wo ang’rennt sind“, formuliert ein Regierungs-Insider salopp.
Krise auf dem (europäischen) Arbeitsmarkt, Hochwasser, Schüsse auf dem Golan – Bedrohungsszenarien helfen in der Regel der Regierung, wenn sie damit richtig umgeht und Eintracht demonstriert. Die Rechnung geht auf: „Koalition hält in Krisenzeiten zusammen“, rapportiert die Krone affirmativ.
Doch nicht alle Minister haben die Zeichen der Zeit erkannt. Verkehrsministerin Doris Bures leistete sich letzte Woche gleich zwei Fehltritte. Mitten im Hochwasser stellte sie sich hin und gab dem schwarzen Alt-Kanzler Wolfgang Schüssel Schuld an Überschwemmungen. Beim ökonomischen Krisenthema, dem Kampf um Jobs, pfuschte Bures ebenfalls in die Regierungsdramaturgie. Sie plauderte ein Investitionspaket in den Wohnbau aus, das eigentlich die Minister Rudolf Hundstorfer und Reinhold Mitterlehner verhandeln und präsentieren sollten. Wegen dieser Störmanöver und aufgrund ihrer mageren Leistungsbilanz soll der Kanzler über Bures verärgert sein.
Tatsächlich wurde Bures’ Ressort in besseren Tagen von industriepolitischen Kapazundern wie Rudolf Streicher und Viktor Klima geleitet. Industriepolitik findet seitens des SPÖ-Regierungsteams seit Jahren nicht mehr statt. „Wer soll denn die auch machen?“, sagt ein einflussreicher Spitzenfunktionär resigniert. Die Gewerkschaft drängt angesichts von Industrie-Abwanderung aus Europa massiv, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen, erst vor wenigen Tagen beschloss die Industrie-Sektion der Privatangestellten einen umfangreichen Forderungskatalog.
Anknüpfungspunkte für Industrieförderung gäbe es in dem Technologie- und Infrastrukturministerium zuhauf – auch jetzt noch in der Post-Verstaatlichten-Ära. Als Personal-Reserve für das Technologieministerium gilt in der SPÖ Infineon-Chefin Monika Kircher-Kohl. Die Berufung der kompetenten Kärntnerin wäre auch eine Aufwertung von Landeshauptmann Peter Kaiser, dem einzigen SPÖ-Politiker, der heuer eine Wahl gewann.
Aller Kritik an Bures zum Trotz wird Faymann seine enge Vertraute aus der Liesinger Bezirkspartei nicht fallen lassen, glaubt man in der SPÖ. Falls er sie von dem jetzigen Posten abzieht, werde sie ein anderes Ministerium bekommen, oder er werde ihre Ambitionen auf den Chefsessel in Wien unterstützen.
Beim Krisenthema Golan haben sich FPÖ und Grüne den schweren Unmut von Militärs zugezogen. „Heinz-Christian Strache und Peter Pilz haben aus wahltaktischen Gründen dem Einsatz unserer Soldaten auf dem Golan ihre Unterstützung entzogen. Die beiden sind aus dem nationalen Konsens ausgeschert, der bei Auslandseinsätzen besonders wichtig ist“, wettert ein hoher Offizier im KURIER-Gespräch. Wegen der blau-grünen Deserteure sei die Regierung unter Druck geraten: „Sie wollte mitten im Wahlkampf nicht allein verantworten, falls es einen Toten gibt.“ Bei der entscheidenden Lagebesprechung mit dem Generalstab am Donnerstag habe Verteidigungsminister Gerald Klug daher entschieden: „Das wird zu heiß. Ich ziehe die Reißleine.“
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