Wie berichtet, hat es im Vorfeld Datenschutz-Bedenken einzelner Staaten wie auch Österreichs gegeben. Ihre Einwände wurden berücksichtigt: Den Mitgliedsstaaten wird freigestellt, zum Datenschutz eigene Regelungen zu treffen. Somit bleibt auch die in Österreich gültige Opt-out-Regelung aufrecht. Sie ermöglicht es Patienten, sich von der heimischen Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) abzumelden. Die EU-Regelung sieht nun zwar Ausnahmen vor, wie etwa ein öffentliches Interesse, solche gibt es in Österreich aber auch schon, nämlich im Zusammenhang mit Impfdaten.
„Die jetzt erzielte Einigung geht in die richtige Richtung. Ziel ist es, Gesundheitsdaten europaweit zu standardisieren und austauschbar zu machen“, sagt Franz Leisch zum KURIER. Der frühere Geschäftsführer der ELGA GmbH ist Digitalisierungsexperte der gesundheitspolitischen Plattform „Praeveniere“.
Fleckerlteppich
Bis dato sei es noch so, dass alle Länder in Sachen eHealth unterschiedliche Schwerpunkte setzen und Systeme verwenden würden. „Europa ist aber zu klein, um sich das leisten zu können“, so der Experte.
Bedenken, dass mit dem EHDS eine europaweite Datenkrake entsteht, hat er nicht: „Die Gesundheitsdaten verbleiben in den jeweiligen nationalen Systemen. Auch die Forscher, die mit ihnen arbeiten wollen, bekommen keinen direkten Zugriff, sondern nur eine Zusammenfassung der jeweils benötigten Daten.“
Was die Umsetzung des EHDS angehe, sei Österreich laut dem Experten dank der vergleichsweise frühen Einführung von ELGA gut aufgestellt. Leisch sieht aber auch Probleme: Die EU pocht auf die Umsetzung einer so genannten „Patient Summary“. Dabei handelt es sich um eine Art digitalen Notfalldatenpass, in dem strukturiert und international einheitlich wichtige Infos wie aktuelle Diagnosen, Allergien, Medikamente und Impfungen gespeichert sind.
In ELGA sei derzeit aber nur dokumentiert, welche Arzneien grundsätzlich verschrieben wurden, nicht aber, welche aktuell in welcher Dosierung eingenommen würden, schildert der Experte. Technisch wäre das zwar möglich, aufgrund des hohen Aufwands sei die Dokumentation von den Ärzten aber nicht gewollt.
Daten-Codierung
Für den Datenpass brauche es zudem eine Codierung der Diagnosen. Auch das diene der internationalen Standardisierung der Patientendaten. Zwar sieht die aktuelle Gesundheitsreform eine derartige Codierung von Befunden in Ordinationen nach dem so genannten ICD-10-System vor, „dieses ist aber sehr grob“, kritisiert Leisch. Er plädiert daher für den Einsatz des viel exakteren Standards namens SNOMED CT.
Die Erfahrungen mit ELGA zeigen, wie langwierig und mühsam die Umsetzung von elektronischen Gesundheitsakten ist. Jahre nach dem Start ist sie längst noch nicht abgeschlossen. Bei EHDS werde das kaum anders sein, ist der Experte überzeugt. „So ein Projekt ist mit seinen vielen Detailprojekten mit dem Bau des Semmering-Basistunnels vergleichbar.“
Leisch rechnet mit fünf bis zehn Jahren, bis Patienten, Ärzte und Forscher den ersten Nutzen von EHDS haben werden. Bis zum Abschluss des Vollausbaus könnte es sogar noch 20 Jahre dauern.
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