Gemeindebund-Chef Riedl hat Sie der Lüge geziehen. Was genau meint er?
Ich weiß nicht, was er meint. Ich kann nur sagen: Machen wir weiter wie bisher, bleiben unseren Enkelkindern keine Anbauflächen für Getreide übrig. Dann sind alle Flächen verbaut. Das ist nicht hinnehmbar! Deshalb brauchen wir verbindliche Ziele.
Die Österreicher sollen Fassaden sanieren, Ölkessel tauschen, Fotovoltaik aufs Dach montieren und E-Autos kaufen. Kann es sein, dass Sie die Bürger überfordern?
Die Frage ist berechtigt. Klima- und Umweltschutz funktionieren nur, wenn man sie sozial verträglich macht. Ich war gerade bei den Grünen in Deutschland, und die haben das tatsächlich zum Teil verabsäumt – mit Gegenkampagnen und einer entsprechenden Stimmung als Konsequenz. In Österreich gehen wir einen anderen Weg. Wir machen Steuererleichterungen und Zuschüsse wie den Klimabonus. Ein besonders gutes Beispiel ist der Heizkesseltausch: Wer wenig verdient, den fördert das Klimaschutzministerium zu 100 Prozent.
Genau vor einem Jahr lautete die Mission der Regierung „Raus aus russischem Gas!“. Im Juni 2023 kommen nach wie vor 60 Prozent der Gasreserven aus Russland... Wir haben den Gasverbrauch im vergangenen Jahr in absoluten Zahlen reduziert und zusätzlich den Anteil an russischem Gas verringert. Es ist viel gelungen, aber wir müssen realistisch bleiben: Über Jahrzehnte wurden wir in eine unfassbare Abhängigkeit von russischem Gas manövriert, und der Ausstieg, der bis 2027 gelingen soll, ist komplex. Was in der OMV damals passiert ist, das muss man heute als Wirtschaftsverbrechen bezeichnen.
Wovon sprechen Sie?
Wir wurden noch nach der Krim-Besetzung in eine 80-prozentige Abhängigkeit eines imperialistisch agierenden Despoten gebracht.
Der billige Gaspreis hat hierzulande Wirtschaftswachstum generiert...
Ja, aber ich frage mich, was wir in der Bankenkrise mit einer Bank gemacht hätten, die ihr Risiko nicht streut und 80 Prozent der Kredite an einen einzigen Schuldner vergibt. Spätestens ab 2014 hätte man Fragen stellen und gegen die Abhängigkeit von Russland protestierten müssen. Als Grüne haben wir das gemacht.
Apropos Protest: Der sichtbarste Protest in Sachen Klimawandel sind die Klimakleber. Halten Sie deren Aktionen weiterhin für sinnvoll?
Man muss das differenziert einordnen. Das Anliegen ist richtig, nämlich darauf zu drängen, dass Österreich die Pariser Klimaziele erreicht. Die Ziele wurden nicht nur von den Grünen, sondern von ÖVP und SPÖ zugesagt – da brauchen wir Mut und Tatkraft. Zweitens: Dass man auf ein Problem hinweist, ist nicht das Böseste. Das Böseste ist, diese Menschen als Terroristen zu bezeichnen, wie es die rechtsextreme Kamarilla und Destruktivisten tun. Drittens: Auch wenn es Sichtbarkeit bringt, wird es auf Dauer zu wenig sein, sich festzukleben, weil man große Teile der Bevölkerung für die Anliegen des Klimaaktivismus verliert.
Aber ist Österreich ein Autoland, wie die ÖVP erklärt?
Wir haben viel Wertschöpfung in der Auto-Zulieferindustrie, und hier liegt die Lösung – wie sooft – in der Innovation. Das Bauen von E-Motoren oder das Entwickeln der Akku-Technologie sind sensationelle Chancen für Regionen wie Graz oder Steyr, da geht’s um Tausende Jobs. Insofern lautet die Antwort: Ja, aber. Denn es kann nicht mehr um Benzin- oder Dieselautos gehen. Die Debatten, die wir heute ums Auto führen, sind dieselben wie vor 100 Jahren. Auch damals gab’s Wagner, Hufschmiede und Kutschenbauer, die das Auto für eine kurzfristige Mode gehalten haben. Ähnlich ist es bei der Elektro-Mobilität. Die Industrie hat sich längst dafür entschieden. Wir müssen daran arbeiten, die Technologie in Österreich zu halten bzw. anzusiedeln.
Sie sehen keine Widersprüche zum Koalitionspartner?
Nicht so viele. Überall dort, wo es um Ökonomie und Ökologie geht, kommen wir gemeinsam voran.
Die Bevölkerung sieht das offenbar anders. Wie sonst ist zu erklären, dass die FPÖ in Umfragen klar Erster ist? Das muss man auch historisch erklären. Die Pandemie war eine heftige Belastungsprobe. Wirtschaftskrise und Teuerung haben zu noch mehr Unsicherheit und Angst geführt. Was können wir tun? Wir müssen versuchen, positiv zu bleiben und Lösungen zu bringen – mit Zuversicht, Mut und Vernunft. Das führt mich zur blauen Truppe. Angeblich haben die Rechtspopulisten auf komplexe Probleme simple Antworten. Aber es ist doch so: Die Rechtspopulisten liefern nicht einmal einfache Antworten, sondern meistens gar keine. Sie beschränken sich auf schlichte Parolen.
Mit Andreas Babler gibt es einen Neuen am Spielfeld. Sind Sie rechter als er?
Mit der simplen Kategorisierung Links oder Rechts halte ich mich nicht auf. Babler ist ein neues Gesicht, aber in der SPÖ steckt viel altes Denken. Wir haben telefoniert und ein Treffen avisiert, das gehört sich auch. Ich hoffe, dass die SPÖ in sich wieder stabiler wird, das wäre wichtig fürs Land. Die großen Gefahren sind andere: die Demokratiefeinde und der Klimawandel. Ich weiß bei Babler noch nicht, wohin die Reise geht. Die SPÖ ist ja trotz neuer Führung nicht komplett neu, und ich mache mit ihr seit Kindheit die Erfahrung, dass sie eine treffsichere Neigung hat, in ökologischen Fragen auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen.
Wie meinen Sie das?
Ich erinnere an Zwentendorf oder die Hainburg-Besetzung, wo man kein Problem hatte, auf Frauen und Studenten loszugehen. Wenn ich Bablers Ankündigungen höre, kann ich als alter Hase nicht anders als an Werner Faymann zu denken. Er hat vor vielen Jahren die Millionärssteuer plakatiert. Gekommen ist sie aber nie – auch nicht unter roten Kanzlern.
Wie lange bleiben Sie noch in der Politik?
Ich bin bis 2025 gewählter Chef der Grünen. Und weil die Frage immer wieder kommt: Ja, ich bin überzeugt, dass diese Regierung bis in den Herbst 2024 arbeitet.
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