Sommergespräch: Wie ORF-Moderator heikle Causa Schilling umschiffte
Montagabend war Grünen-Veteran Werner Kogler (62) Gast bei Martin Thür zum ORF-Sommergespräch 2024. Veteran deshalb, weil in diesem Wahlkampf nur Beate Meinl-Reisinger und er schon 2019 einen Wahlkampf absolvierten.
Im Schnitt verfolgten 526.000 Zuseher (Marktanteil 24 Prozent) das „Sommergespräch“ mit Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler. Damit hatte Kogler zwar mehr Zuseher als im Jahr davor, musste aber das Nachsehen haben gegen Meinl-Reisinger, die mit 543.000 Zusehern knapp mehr hatte. Auch kein gutes Omen für die Grünen im Wahlkampf, wo die Neos laut Umfragen vor den Grünen liegen.
Das vielleicht spannendste Thema dieses Gesprächs war Lena Schilling. Nicht nur, weil die Causa nach wie vor problematisch für die Grünen ist, sondern mit Martin Thür ein unschuldig Betroffener das Thema mit dem Grünen-Chef diskutierte.
„Das Thema ist schwierig auch für mich, weil ich Teil der Geschichte bin“, begann Thür. „Lena Schilling hat über einige Personen unwahre Dinge in die Welt gesetzt, darunter auch über mich. Das ist inzwischen notariell erledigt, deswegen müssen wir jetzt gar nicht über mich sprechen“, löste Thür die für ihn heikle Thematik elegant, aber für den Großteil der Zuseher blieb damit auch offen, worum es in der Affäre eigentlich geht.
Kogler wurde nur befragt, ob die Grünen das Thema anständig gelöst haben (haben sie nicht, gab auch Kogler zu), und ob Schilling sein Vertrauen (hat sie, meinte Kogler) und das des grünen Klubs im EU-Parlament habe (konnte Kogler freilich nicht pauschal beantworten).
Aber worum geht es eigentlich?
Schilling wird vorgeworfen, zwischen 2022 und 2024 falsche und schädigende Behauptungen über gleich mehrere Personen verbreitet zu haben, unter anderem über das Ehepaar Bohrn Mena und eben Martin Thür. Bei den Bohrn Menas gingen die Gerüchte unter anderem um Vorwürfe über häusliche Gewalt, die zu einer Fehlgeburt von Frau Bohrn Mena führten. Das Ehepaar Bohrn Mena fordert von Schilling, diese falschen Behauptungen öffentlich zu widerrufen. Sie haben betont, dass sie eine Einigung anstreben und bereit sind, auf einen öffentlichen Widerruf zu verzichten, wenn Schilling ihre Aussagen gegenüber den betroffenen Personen zurücknimmt und die Anwaltskosten erstattet.
In der Affäre um Thür hat Schilling zugegeben, eine Affäre mit dem ORF-Moderator erfunden und Gerüchte darüber verbreitet zu haben. In einem notariell beglaubigten Dokument gestand sie ein, dass sie fälschlicherweise den Eindruck erweckt habe, ein Verhältnis mit Thür gehabt zu haben, Thür weder persönlich noch digital kenne und bedauere, diese Behauptung aufgestellt zu haben und sie nicht wiederholen wird.
Zurück zu den sachpolitischen Punkten: Koglers Anliegen war, sich zu bemühen authentisch zu sein und „wirkliche Anliegen zu besprechen“. Man muss aber kein Gegner der Grünen sein, um zu sehen, dass Kogler auch große Themen wie Gesundheitspolitik nicht oder nie im Fokus hat, also unterm Strich schwächelte. Kein gutes Vorzeichen, wenn der eigentliche Wahlkampf erst startet.
„Wir sind dahinter“, könnte man Koglers Aussagen zum Thema Gesundheitspolitik zusammenfassen. Da ging es um wichtige Fragen wie Kassenärzte gegen teure Wahlärzte, Wartezeiten und Leistbarkeit. Österreich, verteidigte Kogler die grüne Ressortführung in Person von Johannes Rauch im Gesundheitsministerium, habe immer noch eines der besten und nicht teuersten Gesundheitssysteme.
Thema Postenbesetzung: Was Kogler zur Frage der Nominierung eines EU-Kommissars oder einer EU-Kommissarin sagte, bleibt auch nach mehrmaligem Anhören dieser Interview-Passage ein Rätsel, speziell die Frage des Moderators Thür, warum nicht auch eine Frau nominiert wurde, wie sich das Kommissions-Präsidentin Ursula Von der Leyen erbeten hat. „Weil das andere Staaten auch nicht gemacht haben“, war im Grunde Koglers ziemlich unbefriedigende Antwort.
Wollen die Grünen wieder mit der ÖVP regieren? Kogler argumentiert, dass für ihn wesentlich sei, dass Klimaschutz und Umweltschutz wirtschaftlich vernünftig nur mit Grünen in der Regierung umgesetzt werden könne. Was niemand dazusagte: Rein rechnerisch geht sich eine Beteiligung der Grünen - nach Stand der aktuellen Umfragen - in der nächsten Regierung ohne ÖVP gar nicht aus, es sei denn, die Grünen würden mit Rot UND Blau koalieren. Und das ist ausgeschlossen.
Fazit: In 48 Tagen wird gewählt, und wenn das alles ist, was die Grünen zu bieten haben, dürften die ohnehin schlechten Umfragen noch optimistisch sein.
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