Für Grünen-Bundesparteiobmann Werner Kogler wäre Rot-Grün im Burgenland der Weg jenseits von Blau-Türkis auf Bundesebene. Er will weiterhin die FPÖ in einer Regierung verhindern.
KURIER: Herr Kogler, die Grünen können diese Woche auf ein Erfolgserlebnis verweisen. Im Burgenland könnte man wieder Teil einer Landesregierung sein. Was halten Sie von den Koalitionsverhandlungen mit SPÖ-Landeshauptmann Doskozil?
Werner Kogler: Das ist positiv. In erster Linie für die burgenländische Bevölkerung, nicht nur für die Grünen. Es wird ja noch verhandelt, aber es kann dort etwas Gutes entstehen. Es ist jedenfalls ein Weg jenseits von Blau-Schwarz, der im Bund droht und in meinem Heimatland Steiermark bereits Realität ist.
In so manchen – hauptsächlich linken – Wiener Kreisen wird das Burgenland bereits als Gegenmodell zu Blau-Schwarz gefeiert. Dabei ist das Verhältnis von Rot und Grün auf Bundesebene bei Weitem nicht so gut wie im Burgenland.
Da muss man kein Wiener linker Intellektueller sein, um drauf zu kommen, dass Rot-Grün im Burgenland etwas anderes ist als Blau-Schwarz im Bund. Es waren aber die Sozialdemokraten, die die momentane Situation im Bund mitverursacht haben. Mit den Neos und Teilen der ÖVP, die ja wie immer gespalten ist. Sie haben zu verantworten, dass jetzt das Tor für einen rechtsextremen Kanzler aufgestoßen ist. Deswegen sollten die Sozialdemokraten mit der ÖVP und den Neos wieder Verhandlungen aufnehmen, bevor dieses Unglück eintritt. Nicht nur für Österreich, auch für Europa.
Zurück zu Verhandlungen über eine Dreier-Koalition: Dafür ist der Zug doch schon abgefahren?
Das werden wir sehen. Die drei sollen noch einmal verhandeln. Soll man einen rechtsextremen Kanzler riskieren, nur weil ÖVP, SPÖ und Neos nicht in der Lage oder nicht willens sind, eine Regierung zu bilden? Das kann man so nicht hinnehmen. Wir werden noch einmal auf alle zugehen, wenn sie einen Mediator brauchen, und sagen, setzt euch noch einmal hin. Bei notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheiten im Parlament sind wir auch bereit, zu unterstützen, das wissen alle Beteiligten. Man muss noch einmal den Hebel umlegen.
Sehen Sie noch eine Chance, dass der Hebel umgelegt werden kann? Die Verhandlungen haben ja recht unfreundlich geendet.
SPÖ-Parteivorsitzender Andreas Babler kann ja sich und sein Verhandlungsteam so aufstellen, dass nicht alle anderen gleich rot anlaufen, wenn sie sich bei Themen nicht wiederfinden. Er kann darauf schauen, dass die Wiener SPÖ und die Gewerkschafter in den Verhandlungen eine wichtigere Rolle spielen. Die Neos müssen sich wieder besinnen, diese Verantwortung nimmt ihnen niemand ab. Und bei der ÖVP muss man zur Einsicht kommen, dass es der Wirtschaft nicht schaden muss, wenn es so kommt. Sie alle werden vor der Geschichte Verantwortung übernehmen müssen. Und wir sind bereit, sie dabei zu unterstützen.
Da kommt dann auch noch der Zeitfaktor dazu, weil ja schon sehr, sehr lange verhandelt wird. Eigentlich brauchen wir jetzt ja ganz schnell eine neue Regierung.
Es ist nie zu spät für eine Umkehr. Vielleicht gibt es ja in der ÖVP wieder welche, die sich an biblische Grundsätze erinnern. Aber bei dem, was da herumgeistert, ist schon die Frage, was am Schluss das Bessere, das Entscheidende ist. Außerdem gibt es sehr viele Vorarbeiten von den ersten Verhandlungen. Es gibt jedenfalls immer Alternativen, das ist Demokratie.
Bei Gebhart: Werner Kogler
Gibt es diese Gesprächskanäle im Parlament überhaupt noch?
Momentan hat es nicht den Eindruck, wie ich es in der vergangenen Parlamentssitzung wahrgenommen habe. Das war alles wie ein aus dem Ruder gelaufenes Klassentreffen. Aber angesichts der bestehenden Gefahr müssen doch alle wieder zur Vernunft kommen. Wir brauchen Vernunft und Zuversicht. Ja, wir haben eine schwierige Situation in Österreich, aber wir haben in den vergangenen Jahrzehnten auch schon viel schwierigere gehabt.
Als noch die Dreier-Koalition verhandelt worden ist, haben Sie angekündigt, dass die Grünen für notwendige Zwei-Drittel-Mehrheiten bereitstehen würden. Gilt diese Ansage auch für Blau-Türkis?
Es gibt jetzt natürlich andere Voraussetzungen. Unter Blau-Türkis ist zu erwarten, dass ganz andere Sachen vorgelegt werden. Da ist die Wahrscheinlichkeit viel geringer, dass da etwas Zustimmungsfähiges daher kommt. Da gilt es eher umgekehrt, dass manche Sachen blockiert werden müssen.
Wahrscheinlicher wird wohl sein, dass es Neuwahlen gibt anstatt neuerlicher Verhandlungen von ÖVP, SPÖ und Neos. Wenn heuer noch gewählt werden muss, sind Sie dann wieder Spitzenkandidat bei den Grünen?
Nein. Das habe ich deutlich schon gesagt. Das hat keinen wirklichen News-Wert.
Sie haben gesagt, dass Sie bei den Grünen den Vorsitz zurücklegen und damit in Zukunft nicht mehr Spitzenkandidat sind. Aber wenn jetzt eine Neuwahl so rasch kommen könnte?
Bei der Begründung, die ich geliefert habe, warum ich nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren werde, war auch dabei, dass ich bei einer nächsten Nationalratswahl nicht mehr den Spitzenkandidaten mache. Ich habe Parteivorsitz und Spitzenkandidatur verknüpft. Das bleibt so. Wir haben ja auch andere gute Leute.
Interessanterweise sind Neuwahlen für viele Beobachter das Schlimmste, was passieren könnte. Dabei sind sie nur ein anderes demokratisches Mittel, wenn es keine Regierung gibt.
Ja, aber zunächst ist es sinnvoller, wenn ÖVP, SPÖ und Neos ihre Gespräche wieder aufnehmen. Deswegen auch ein Appell an sie. So bekämen wir ohne Neuwahlen eine neue Regierung.
Kommen wir zum Klimaschutz. Die kommende Regierung streicht den Klimabonus, Sie hätten ihn weitergeführt. Was sagen Sie dazu?
Wir haben in der vergangenen Regierung eine ökologische, soziale und marktwirtschaftliche Revolution des Steuersystems gemacht, indem wir einen CO₂-Preis eingeführt haben und die eingenommenen Mittel mit dem Klimabonus rückverteilen. Den kann man natürlich anders organisieren, aber er gehört dazu. Wenn ich das wegnehme, bleibt eine nackte Steuererhöhung. Umwelt, Klima- und Naturschutz müssen mit wirtschaftlicher Tragfähigkeit und sozialer Gerechtigkeit einhergehen, sonst bekommst du Durchsetzungsprobleme. Was hier geplant wird, ist eine unsoziale Steuererhöhung. Die ÖVP vergeht sich da an ihrer eigenen Weisheit und den Blauen ist die CO₂-Reduktion egal.
Wenn es um den Klimaschutz geht, dann herrscht im politischen Umfeld eine ähnliche Situation. Die EU fährt den Green Deal zurück, in Amerika streicht der neue Präsident Donald Trump Klimaschutzmaßnahmen.
Dabei geht es um die Lebensbedingungen zukünftiger Generationen auf unserem Planeten. Die Frage ist immer, was kann ein einzelnes Land, was kann der europäische Kontinent beitragen. Es ist schon richtig, dass wir allein unseren Planeten nicht retten können. Richtig ist, dass es sogar schon in China oder Indien richtige Tendenzen gibt. Dort muss man auch hinschauen.
Und Donald Trump?
Der Klimaschutz kann in den USA nicht so schnell zurückgedreht werden, weil dort die Bundesstaaten dazu auch eigene Interessen haben. Und diese lassen es sich nicht gefallen, wenn im Klimaschutz viele moderne Arbeitsplätze wegfallen. Natürlich wird unter Trump Schaden angerichtet. Aber es ist nicht so, dass Amerika nicht wieder in die richtige Spur finden kann. Als Global-Bürger sage ich, dass auch ein Trump nicht alles zugrunde richten kann. Deswegen ist auch die Rolle der Europäischen Union so wichtig. Und genauso wichtig ist, dass vernünftige und aufrichtige Leute ins Kanzleramt einziehen und nicht jemand, der wie Kickl Europa auch noch bekämpft.
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