Wende vor Prozesstart gegen Wöginger: Beamte reichen "Verantwortungsübernahme" ein

Elf Verhandlungstage, drei Angeklagte, 31 Zeugen: Am Dienstag startet am Landesgericht Linz der Mega-Prozess gegen ÖVP-Klubchef August Wöginger, selbst Oberösterreicher, und zwei Beamte aus dem Finanzministerium. Der Vorwurf: Amtsmissbrauch. Das Strafmaß: sechs Monate bis fünf Jahre Haft.
Am Vorabend kam es zu einer überraschenden Wende: Die Beamten – Siegfried M. und Herbert B. – haben am Montag beim Landesgericht jeweils eine „Verantwortungsübernahme“ eingereicht, wie ein Sprecher auf KURIER-Anfrage bestätigt.
Erklärt wird in drei Sätzen, dass sie „Verantwortung übernehmen“ für das ihnen in der Anklage zur Last gelegte Verhalten; dass sie dies „bedauern“, und dass sie „versichern, von derartigen Verhaltensweisen in Zukunft strikt Abstand zu nehmen“.
Stichworte, die in den rechtlichen Bestimmungen zur Diversion vorkommen. Ein formeller Antrag ist das aber nicht, erklärt der Gerichtssprecher. Möglich, dass diese Verfahrenserledigung, um einem Schuldspruch zu entgehen, zum Prozessstart noch beantragt wird. Bis dato haben sie alle Vorwürfe bestritten.
„Anliegen“
Wie sich ein Geständnis der beiden Beamten auf den mitangeklagten Wöginger auswirken würde, ist fraglich. Prinzipiell spielen sich die Vorwürfe gegen seine Person in einer anderen Sphäre ab: Konkret soll er im Winter 2016 – da war er Sozialsprecher im Parlamentsklub und Chef des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB – beim damaligen Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid mehrmals das Anliegen deponiert haben, dass ein Parteifreund den vakanten Vorstandsjob im Finanzamt Braunau-Ried-Schärding bekommt.
Schmid gab bei der WKStA zu Protokoll, dass er dann den Vorsitzenden des Zentralausschusses – das ist Herbert B. – „ausdrücklich gebeten“ habe, sich im Zuge seiner Tätigkeit in der Begutachtungskommission für die von der ÖVP gewünschte Person einzusetzen. B. stand danach im regen Chat-Austausch mit Schmid.
Die Hauptverantwortung dafür, wie das Hearing abgelaufen ist, trägt der Erstangeklagte Siegfried M., er war damals Regionalmanager und Vorsitzender der Kommission. Laut Anklage soll er mit einer anderen Bewerberin, Christa Scharf (mehr dazu hier), forsch umgegangen sein, um sie zu verunsichern.
Wie später das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) feststellte, wäre sie die bestgeeignete Kandidatin für den Vorstandsjob gewesen. Die Republik musste Schadenersatz zahlen.
Den beiden wird außerdem Falschaussage vorgeworfen, weil sie beim BVwG sagten, ihre Entscheidung sei „nicht politisch beeinflusst“ gewesen. Auch dies „bedauern“ die beiden Angeklagten laut ihrer „Verantwortungsübernahme“, die dem KURIER vorliegt.
Für M. hatte die Anklage bereits berufliche Konsequenzen: Er wurde als Vorstand des Finanzamts Österreich (das war er seit Jänner 2021) abberufen und suspendiert. Zudem wurde er „fristgerecht darüber informiert, dass er nicht für weitere fünf Jahre verlängert wird“, heißt es aus dem Finanzministerium.
Und Wöginger? Laut seinem Verteidiger Michael Rohregger stelle sich die Frage nach einem Rücktritt nicht, „da mein Mandant keinesfalls von einer Verurteilung ausgeht“. Beim Prozess will Wöginger zu den Vorwürfen Stellung nehmen und sich nicht entschlagen.
Den drei Angeklagten und ihren Verteidigern wären ursprünglich die ersten drei Prozesstage gewidmet worden, ab 21. Oktober sollten Zeugen befragt werden, am 20. November das Urteil des Schöffensenats fallen. Wenn die beiden Beamten vorzeitig wegen einer Diversion ausscheiden, dürfte es schneller gehen.
KURIER.at berichtet morgen, Dienstag, ab 10 Uhr live aus dem Gerichtssaal.
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