ÖVP-Klubchef Wöginger vor Gericht: Postenschacher "aus dem Bilderbuch"?

August Wöginger sitzt mit verschränkten Händen im Nationalrat.
Wöginger soll sich dafür eingesetzt haben, dass ein Parteifreund einen Führungsjob bekommt. Wie solche Praktiken aussehen und warum diese Causa doch einzigartig ist.

Ab Dienstag muss sich ÖVP-Klubchef August Wöginger neben zwei Beamten in der Causa rund um die Besetzung des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding im Jahr 2017 in Linz vor Gericht verantworten. Die Causa gilt als "Postenschacher wie aus dem Bilderbuch".

Aber was genau macht den Fall angeblich so "typisch", wie juristische Beobachter meinen?

Unter "Postenschacher" – vulgo "Freunderlwirtschaft" – versteht man, wenn Politiker ihre Befugnisse ausnutzen, um Parteifreunden Jobs zuzuschanzen. Dafür gibt es im Kern zwei Motive: Erstens wollen Politiker sicherstellen, dass ihr Programm in der öffentlichen Verwaltung oder auch in staatsnahen Betrieben verlässlich umgesetzt wird, wenn "Vertrauensleute", zu denen sie im besten Fall auch einen direkten Draht haben, an den Schalthebeln sitzen.

Zweitens werden Funktionäre für ihre Loyalität belohnt. Sprich: Wer Einsatz zeigt für die gemeinsame Sache, der muss sich nie wieder Sorgen um die berufliche Zukunft machen. Gerade bei den Großparteien ÖVP und SPÖ wurde dieses (meist unausgesprochen) Versprechen über Jahrzehnte kultiviert – ob in Gemeinden, Städten, im Land oder Bund.

Vorsatz und Schaden

Wichtig ist: Postenschacher ist zwar per Definition eine Form von Korruption, aber nicht jeder Fall lässt sich mit dem Strafrecht greifen – im Gegenteil. Die Causa Finanzamt Braunau könnte in dieser Hinsicht sogar einzigartig sein. Um den Tatbestand des Amtsmissbrauchs zu erfüllen, muss der Missbrauch wissentlich und vorsätzlich begangen worden sein und zu einer Schädigung geführt haben.

Geschädigt werden kann die Republik in ihrem Recht darauf, den bestgeeigneten Kandidaten für eine Führungsposition in der öffentlichen Verwaltung zu bekommen, oder auch die Mitbewerber in ihrem Recht auf eine faire und objektive Beurteilung.

Im Fall Finanzamt will die WKStA eine "Bestimmungskette" schwarz auf weiß belegt haben – und zwar in Form von Chats, die beim damaligen Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid sichergestellt wurden sowie durch dessen Geständnis. Der ÖVP-Klubchef bestreitet, Einfluss genommen zu haben. Und die beiden angeklagten Beamten betonen, dass im Bewerbungsverfahren alles nach dem Gesetz abgelaufen sei.

Für die Besetzung von Posten gibt es ein festgelegtes Prozedere: Erst schreibt das Ministerium den Posten aus und gibt die gewünschten Qualifikationen vor, dann wird eine Begutachtungskommission gebildet, in der neben Führungskräften auch Personalvertreter sitzen. Die Kommission prüft die Bewerbungen, führt ein Hearing durch und vergibt anhand eines standardisierten Formulars Punkte. Daraus ergibt sich eine Reihung vom Bestgeeigneten bis zum am wenigsten Geeigneten. Die Liste wird dem Minister vorgelegt, der einen Kandidaten auswählt, im Ministerrat absegnen lässt oder den Vorschlag direkt dem Bundespräsidenten vorlegt, der dann die offizielle Ernennung vornimmt.

Einflussnahme ist schon ab Schritt eins möglich – Kronzeuge Thomas Schmid ist da selbst ein Paradebeispiel: Die Ausschreibung für den Vorstand der 2018 neu konzipierten Staatsholding ÖBAG soll er sich, als er im Finanzministerium war, selbst auf den Leib geschneidert haben. Den Job hatte Schmid allerdings nur kurz, weil ab Herbst 2019 nach Platzen der Ibiza-Affäre auch gegen ihn ermittelt wurde.

Einfluss nehmen können Politiker – siehe Vorwürfe in der aktuellen Causa – auf die Kommission. In letzter Konsequenz kann der Minister die Reihung selbst "umdrehen", was auch bei grünen Ministerinnen und Ministern schon vorgekommen sein soll.

198 Beschwerden

Zu befürchten hat die Republik in der Regel nur Schadenersatzzahlungen – nämlich dann, wenn sich unterlegene Bewerber wegen Diskriminierung bei der Gleichbehandlungskommission des Bundes beschweren.

Im Berichtszeitraum 2022 und 2023 sind dort in Summe 198 Anträge eingelangt. Zwei Senate haben 73 Gutachten erstellt. Bei knapp der Hälfte wurde eine Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung – sprich: der politischen Gesinnung – vom Antragsteller ins Treffen geführt, teils in Kombination mit anderen Merkmalen wie Geschlecht oder Alter. In 16 Fällen wurde dies vom Senat bestätigt, in elf Fällen verneint; in sechs weiteren Fällen konnten parteipolitische Motive zumindest nicht ausgeschlossen werden.

Auch die Causa Finanzamt Braunau begann mit einer solchen Beschwerde – damals von der unterlegenen Bewerberin Christa Scharf. Sie wird am 21. Oktober im Prozess als Zeugin aussagen.

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