Postenschacher: Wie es zur Anklage gegen ÖVP-Klubchef Wöginger kam

August Wöginger, Klubchef der ÖVP, Chef des schwarzen Arbeitnehmerbundes ÖAAB und Abgeordneter seit mehr als 20 Jahren, steht ab 7. Oktober mit zwei Finanzbeamten Linz vor Gericht. Sie sollen dafür gesorgt haben, dass 2017 ein ÖVP-Freund den Vorstandsjob in einem Finanzamt im Innviertel bekommen hat.
Nun könnte man als gelernter Österreicher sagen: So etwas passiert doch ständig. Einem Parteifreund wurde ein Job zugeschanzt. Und weiter?
Dass dieser Fall von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als „Missbrauch der Amtsgewalt“ angeklagt wurde, ist tatsächlich etwas Besonderes. Anders gesagt: Wöginger und die Beamten haben Pech gehabt. Mehrmals.
Was genau ist passiert? Ende 2016 wird beim Finanzamt Braunau-Ried-Schärding der Vorstandsposten frei. Christa Scharf, eine jahrzehntelange Mitarbeiterin, bewirbt sich.
Das Hearing im Februar 2017 verläuft, wie sie sich in einem Gespräch mit dem Falter erinnert, ungewöhnlich konfrontativ. Schon vorher soll gemunkelt worden sein, dass ein jüngerer Kollege, der auch ÖVP-Bürgermeister und ÖAAB-Mitglied ist, den Job bekommen soll.
Und so geschieht es auch. Scharf wird an die vorletzte Stelle gereiht, der ÖVP-Mann an die erste.
Langer Rechtsstreit
Das erste „Pech“ ist: Mit einer Frau von Scharfs Profil hat niemand gerechnet.
Die damals 62-Jährige geht zur Gleichbehandlungskommission, die eine Diskriminierung attestiert. Das Finanzministerium will ihr keine Entschädigung zahlen, also beschwert sie sich beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
Und sie bekommt recht: Nicht nur wurde sie diskriminiert, sie wäre laut Aktenlage für den Job auch die bestgeeignete Kandidatin gewesen. Für die Reihung der Kommission seien „sachfremde Gründe“ ausschlaggebend gewesen, urteilt das BVwG. Scharf bekommt 5.000 Euro Schadenersatz. Dann zeigt sie die Kommission an.
Der Fall landet bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten, die ihn beinahe ad acta legen muss. Fälle von Diskriminierung bei Postenbesetzungen gibt es zuhauf – nur ein Amtsmissbrauch ist kaum bis gar nicht nachweisbar.
Wöginger taucht bis dahin noch nirgends auf – erst 2022 wird bekannt, dass die WKStA auf dem Handy von Thomas Schmid, ehemals Generalsekretär im Finanzministerium, Chats gefunden hat, in denen es um die Finanzamt-Causa geht.
Später belastet Schmid Wöginger auch in seinem Kronzeugen-Geständnis bei der WKStA schwer. So soll der damalige ÖVP-Sozialsprecher und ÖAAB-Chef ab Dezember 2016 ihm gegenüber mehrmals zum Ausdruck gebracht haben, wie wichtig ihm sei, dass der ÖVP-Bürgermeister und ÖAAB-Freund den Finanzamt-Job bekommt. Schmid soll dann auf die Personalkommission eingewirkt haben.
Die Chats werden in der Anklage als Beweis für die „Bestimmungskette“ angeführt. So schreibt ein Kommissionsmitglied am Tag des Hearings im Februar 2017: „Hi! Mit Bauchweh aber: [Daumen hoch-Emoji]“. Schmid antwortet: „Mein Held!“, und meldet 35 Sekunden später an Wöginger: „Wir haben es geschafft :-)) Der Bürgermeister schuldet dir was!“ Wöginger antwortet: „echt super!! Bin total happy“.
Im Zuge der Ermittlungen weist Wöginger die Vorwürfe zurück und sagt, er habe niemals unsachlich Einfluss genommen.
„Sachfremde Motive“
Dass es bei dieser Postenbesetzung „sachfremde Motive“ gab, ist vom BVwG rechtskräftig festgestellt worden. Beim Prozess in Linz geht es um die Frage, ob die Beschuldigten im Zuge des Bewerbungsverfahrens wissentlich ihr Amt missbraucht haben – und dadurch jemand zu Schaden kam.
Laut Anklage wurde erstens die Republik in ihrem Recht geschädigt, den bestgeeigneten Kandidaten für eine Führungsposition in der öffentlichen Verwaltung zu bekommen. Zweitens wurden andere Bewerber, darunter Scharf, in ihrem Recht auf Gleichbehandlung und objektive Beurteilung geschädigt.
August Wöginger: ÖVP-Klubchef, angeklagt als Bestimmungstäter zum Amtsmissbrauch.
Siegfried M. und Herbert B.: M. war Vorsitzender der Personalkommission, B. Mitglied und Gewerkschafter. Beide sind wegen Amtsmissbrauchs und wegen Falschaussage angeklagt. Letzteres, weil sie im BVwG-Prozess rund um die Diskriminierung sagten, dass ihre Entscheidung nicht politisch beeinflusst gewesen sei.
Christa Scharf: Unterlegene Bewerberin für den Finanzamt-Job in Braunau, die Anzeige erstattet hat.
Thomas Schmid: Ex-Finanz-Generalsekretär, bei dem Wöginger interveniert haben soll. Er ist Kronzeuge und daher nicht angeklagt.
31 Zeugen an elf Verhandlungstagen
Die WKStA spricht in ihrer Anklage auch an, dass „die allgemeine Wahrnehmung in der Bevölkerung und die Erfahrung mit Postenbesetzungen im öffentlichen Bereich“ sei, dass „parteipolitische Erwägungen und Motive eine sehr große Rolle spielen“. Aus diesem „generalpräventiven Grund“ komme keine Diversion infrage.
Im Prozess werden 31 Zeugen befragt, elf Verhandlungstage wurden dafür anberaumt. Es ist ein ganz besonderer Fall, so viel steht fest.
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