Prozess gegen August Wöginger: „Ich hatte nichts mehr zu verlieren“

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Am 7. Oktober beginnt der Prozess gegen ÖVP-Klubchef August Wöginger und zwei Beamte rund um mutmaßlichen Postenschacher. Der KURIER sprach mit der Frau, die das alles ins Rollen gebracht hat: Christa Scharf.

2017 hat sich Christa Scharf, langjährige Finanzbeamtin und Führungskraft, für den Vorstandsjob ihres Finanzamts in Braunau beworben. Sie bekam ihn nicht.

Die Geschichte könnte hier enden. Das Gegenteil ist der Fall: Sie landet vor einem Strafgericht. So weit hat es bis dato kein Fall von mutmaßlichem Postenschacher geschafft. Ab 7. Oktober müssen sich ÖVP-Klubchef August Wöginger und zwei Beamte wegen Amtsmissbrauchs verantworten. Der KURIER traf die Frau, die das alles ins Rollen gebracht hat, in Braunau.

KURIER: Sie haben damals den Vorstandsjob nicht bekommen – möglich, dass das eine geschobene Partie war, so etwas passiert in Österreich angeblich ständig. Warum haben Sie es nicht einfach dabei belassen?

Christa Scharf: Ich hatte nichts mehr zu verlieren. Ich war dreieinhalb Jahre vor meiner Pension. Wenn man 20 Jahre jünger ist, ist es vielleicht etwas anderes. Da ist es mit der Karriere vorbei, wenn man aufmuckt.

Es heißt: Wenn du als Beamtin bzw. als Beamter etwas werden willst, brauchst du ein Parteibuch. Hatten Sie das im Hinterkopf, als Sie sich beworben haben?

Nein, ich habe gedacht, dass die Qualifikation zählt.

Ist das nicht ein bisschen naiv?

Kann sein, aber es sollte doch trotz allem gerecht zugehen. Ich habe in meinen 35 Jahren im Finanzamt nie etwas Krummes gemacht, immer fleißig gearbeitet, war fast nie im Krankenstand. Mit meinen Mitarbeitern habe ich ein tolles Verhältnis gehabt. Ich habe gedacht, das zählt.

Sie haben schon vor dem Hearing ein schlechtes Gefühl gehabt. Warum?

Siegfried M., unser damaliger Regionalmanager, hat mich immer in den Himmel gehoben, das war mir schon fast peinlich. Ich habe das Finanzamt Braunau-Ried-Schärding ja schon seit fast einem Jahr interimistisch geleitet, als der vorherige Vorstand in Pension gegangen ist. Als ich ihm dann Ende Jänner gesagt habe, dass ich mich für die Leitung bewerbe, hat er komisch reagiert, überrascht. Ich habe gespürt, meine Bewerbung ist nicht erwünscht. Dann hat es Gerüchte gegeben, dass für den Job schon jemand vorgesehen ist.

Und derjenige ist es dann auch geworden. Wie war Michael L. als Chef?

Er hat viel Homeoffice gemacht. Sein Wohnort war mehr als 100 Kilometer von den Standorten in Braunau, Schärding und Ried entfernt. Zu mir hat er gesagt: „Nach Braunau brauche ich eh nicht fahren, da bist eh du da.“

Er hat den Job bekommen, aber gemacht haben Sie ihn?

Er hat unterschrieben, was zu unterschreiben war. Aber im laufenden Betrieb haben die Leute mich gefragt, wenn sie etwas wissen wollten.

Haben Sie mit ihm einmal über die Causa geredet?

Bei einem Treffen hat er zu mir gesagt: „Das Leben ist kein Wunschkonzert.“

Hat Sie das geärgert?

Ich habe es als ungerecht empfunden. Deshalb bin ich zur Gleichbehandlungskommission gegangen, und die hat mir recht gegeben.

Die Diskriminierung wurde bestätigt, später wurde beim Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass Sie die Bestqualifizierte gewesen wären und Sie haben 5.000 Euro Schadenersatz bekommen. Warum sind Sie dann noch einen Schritt weitergegangen und haben die Personalkommission angezeigt?

Na ja, jetzt bin ich schon so weit gekommen ... Ich wollte schauen, was passiert. Erste Reihe fußfrei.

Sie haben während des Rechtsstreits noch im Finanzamt gearbeitet. Hat Ihr Umfeld Sie unterstützt oder war man eher genervt von Ihnen?

Gerade meine Kollegen sind sehr hinter mir gestanden. Die waren alle von den Socken, dass ich nicht Vorständin geworden bin. Ich bekomme auch jetzt noch Zuschriften von Leuten, denen es ähnlich ergangen ist und die mich um Rat fragen.

Im Februar 2022 sind Chats zwischen Thomas Schmid und August Wöginger aufgetaucht, in denen es um das Finanzamt ging. Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?

Das war ein Aha-Erlebnis. Kollegen und ich hatten schon den Verdacht, dass die Order von weiter oben gekommen ist. Nur auf den Wöginger wären wir nicht gekommen.

Kennen Sie Wöginger persönlich? Er ist ja auch aus dem Innviertel.

Nein, hat sich nie ergeben.

Warum soll die Spitzenpolitik ausgerechnet bei diesem Posten interveniert haben? Mit Verlaub, aber das ist kein hoch dotierter Spitzenjob, wir reden hier von einem Finanzamt im Innviertel.

Das verstehe ich bis heute nicht. Die Gehaltsdifferenz war marginal. Ums Geld kann es nicht gegangen sein.

Haben Sie seither ein anderes Bild von der Politik?

Ja, eine gewisse Skepsis, ob bei Postenbesetzungen alles sauber abläuft, ist da.

Sie haben selbst einmal für die Braunauer ÖVP kandidiert.

Ja, das war einige Jahre nach dieser ganzen Sache. Mein Mann hat sich für die Fraktion engagiert, und sie haben für die Gemeinderatswahl noch ein paar Gesichter gebraucht. Parteimitglied war ich aber nie.

Verraten Sie mir, was Sie wählen?

Ich war immer ÖVP-Stammwählerin. Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich wählen soll.

Der Prozess startet bald. Wie geht es Ihnen damit?

Ich finde es spannend.

Nervös sind Sie nicht?

Was soll mir passieren? Ich habe immer die Wahrheit gesagt.

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