Als eines der wenigen Länder in Europa hat Norwegen die Wehrpflicht für Frauen. Als die ersten jungen Norwegerinnen 2016 einrücken mussten, schrieb Sibylle Hamann einen Zeitungskommentar mit dem Titel: "Österreich muss Norwegen werden: Wehrpflicht für alle!"
Drei Jahre später – Hamann ist mittlerweile Nationalratskandidatin der Grünen – wurde ihr dieser Text beim grünen Bundeskongress zum Vorwurf gemacht. Hamann verteidigt sich, es sei ihr um "Gleichberechtigung in allen Lebenslagen" gegangen, das schließe das Militär nicht aus. Position der Grünen sei ohnehin, die Wehrpflicht abzuschaffen, sagt sie zum KURIER.
"Ich fände eine Wehrpflicht für alle nicht schlecht", sagt Petra Pfundner. "Warum denn nicht?" Die 31-jährige Steirerin ist Leutnant der Miliz. "Für mich war immer klar, dass ich entweder zur Polizei oder zum Bundesheer gehe", erzählt sie.
Trotzdem ging sie zuerst auf die Uni und studierte Geografie sowie Wildbach- und Lawinenverbauung. 2013 ging sie dann zum Heer. Zuerst zur ABC-Abwehr, heute ist sie als Militärgeografin dem Militärkommando Kärnten zugeteilt. Als solche befasst sie sich mit Kartenmaterial, militärischer Raumplanung oder Länderberichten. "Das passt zu meinen Fächern", sagt Leutnant Pfundner, die im zivilen Leben als Projektingenieurin im Siedlungswasserbau arbeitet.
Habt Acht! Diskussion über Wehrpflicht für Frauen
Seit 1998 können Frauen freiwillig zum Bundesheer. Mittlerweile gibt es 652 Soldatinnen, wobei gerade in den vergangenen drei Jahren ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen war. Damit sind 4,7 Prozent der insgesamt 14.000 Berufssoldaten weiblich. Darunter 226 Unteroffiziere und 78 Offiziere. Zwei Soldatinnen sind als Brigadier im Generalsrang.
Deutlich geringer ist der Frauenanteil bei der Miliz. 116 von 25.000 Milizsoldaten sind weiblich. Das sind 0,46 Prozent. Darunter 24 Offiziere, 38 Unteroffiziere sowie 54 Chargen.
Beim Heer "kein Thema"
Zwar wolle man den Frauenanteil beim Heer "signifikant erhöhen", sagt Bundesheer-Sprecher Michael Bauer, eine Wehrpflicht für Frauen sei aber "kein Thema". Stattdessen setzt das Heer auf Freiwilligkeit. Dazu würden „viele, viele Maßnahmen“ gesetzt: Soldatinnen können sich aussuchen, wo sie ihren Wehrdienst leisten, es gibt Förder- und Mentoringprogramme und sogar Kinderbetreuung wird mittlerweile angeboten.
"Vor allem aber gibt es für Frauen und Männer komplett gleiche Bedingungen, sowohl was das Gehalt als auch was die Karrierechancen angeht", sagt Bauer.
Das bestätigt auch Milizoffizierin Pfundner: "Was zählt ist die Leistung", sagt sie. "Das Frausein spielt beim Heer keine Rolle. Da ist man eine von vielen." Die Zeit beim Heer empfindet sie als "angenehm", nur "Extrawürstel" braucht sie nicht. Eigene Wasch- und Schlafbereiche seien zwar "gut gemeint, aber zum Teil auch störend".
Auch in Sachen Wehrpflicht will die Soldatin keine Extrawurst: "Warum sollte man mit der Gleichberechtigung nicht hier beginnen?"
Weil sich in feministischen Kreisen der Standpunkt etabliert hat, dass Wehrpflicht solange kein Thema ist, bis nicht in allen anderen Bereichen Gleichberechtigung herrscht. Das bestätigt auch ein Rundruf bei den Frauensprecherinnen der Parteien.
Erst Gleichberechtigung, dann Pflichten
"Erst müssen Benachteiligungen bei Bezahlung, unbezahlter Arbeit, Teilzeitjobs beseitigt werden, dann können wir über Pflichten reden.“, sagt Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Das betreffe nicht nur die Wehrpflicht, sondern etwa auch das ungleiche Pensionsalter.
"Frauen leisten den Großteil der unbezahlten Pflege- und Betreuungsarbeit. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit. Auch der Gender Pay Gap von knapp 20 Prozent zeigt, dass Frauen für dieselbe Tätigkeit noch immer schlechter entlohnt werden als Männer. Solange wir in diesen Bereichen von einer tatsächlichen Gleichstellung weit entfernt sind, stehe ich einer Wehrpflicht für Frauen kritisch gegenüber", sagt Juliane Bogner-Strauß (ÖVP)
Ins selbe Horn stößt auch FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek: "Solange Frauen in anderen Bereichen noch immer benachteiligt sind - gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist noch immer eine Illusion -, muss man mit diesem Thema vorsichtig umgehen." Sie wünscht sich eine breitere Diskussion über das Thema.
Die Neos wiederum sehen die Wehrpflicht - genau wie die Grünen - „grundsätzlich kritisch“, sagt Frauensprecherin Doris Hager-Hämmerle. Stattdessen brauche es ein professionalisiertes Berufsheer.
Es geht um grüne Widersprüche
Bei der grünen Diskussion um Hamanns Kommentar sei es eigentlich gar nicht um die Wehrpflicht gegangen, sagt Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle. "Es ging darum, Widersprüche zu grünen Standpunkten aufzuzeigen. Gerade Quereinsteiger rufen Misstrauen in den eigenen Reihen hervor."
Darüber hinaus stellt sich die Frage derzeit eigentlich nicht. Keine Partei hat irgendeine Forderung in diese Richtung. "Und keine Partei hat ein Interesse, zehn Wochen vor der Wahl mehr als die Hälfte der Wähler zu verunsichern", sagt Stainer-Hämmerle.
International ist Wehrpflicht für Frauen eine Rarität. Neben Norwegen gilt sie auch in Israel, wo Frauen zwei Jahre dienen müssen (Männer ein Jahr länger), und Nordkorea, wo Frauen bis zu sieben Jahre verpflichtet werden (Männer bis zu zehn Jahre).
Darüber hinaus sind Frauen unter anderem auch in Bolivien, Peru, Venezuela, Marokko, Tunesien, Eritrea und dem Sudan wehrpflichtig. Häufig besteht die Wehrpflicht jedoch nur auf dem Papier für den Fall, dass sich zu wenige Freiwillige finden.
Pro & Contra: Ist das Gleichberechtigung?
Pro: Natürlich müssen wir für eine allgemeine Wehrpflicht auch für Frauen sein, was denn sonst in einer modernen Gesellschaft. Bevor das beschlossen wird, sollten wir freilich zuerst für echte Gleichberechtigung sorgen, und Männer gleich gut (oder schlecht) bei den Themen Kinderbetreuung, Einkommensknick und Pensionsabschlag stellen. Das kann bei gleichbleibendem Tempo der Debatte eh nur mehr höchstens hundert Jahre dauern. Bernhard Gaul
Contra: Wehrpflicht für Frauen ist eine Schnapsidee. Der Zugang zum Heer ist Frauen nicht verwehrt, das ist wichtig. Aber Pflicht? Es ist ein alter Fehler, Gleichberechtigung mit Gleichmacherei zu verwechseln. Frauen haben andere Lebenszyklen als Männer, das ist biologisches Faktum. Gleichberechtigung heißt gleiche Rechte für die Vielfalt der Menschen. Es heißt nicht, eine Gruppe ins Schema einer anderen zu pressen. Daniela Kittner
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