Was die U-Haft für Ex-Ministerin Karmasin bedeutet
Sie kämpfte lange. Mehr als eine Stunde lang versuchte Sophie Karmasin (55) am Freitag, wieder auf freien Fuß zu kommen. Sie legte vor dem Richter ein Gelöbnis ab; sie versicherte, keine neuen Aufträge mehr anzunehmen; und sie war sogar bereit, laufende Aufträge zu stornieren.
Doch es war vergebens:Die ehemalige Familienministerin muss zumindest für die kommenden 14 Tage in Untersuchungshaft – die Oberstaatsanwälte orten „Tatbegehungsgefahr“. In zwei Wochen kann Karmasins Anwalt Norbert Wess einen Enthaftungsantrag stellen.
Eine ehemalige Ministerin in U-Haft? Das kommt in Österreich nicht alle Tage vor.
Und: Für die ÖVP und die Inseratenaffäre rund um Sebastian Kurz ist eine weitere Eskalationsstufe erreicht. „In Kombination mit dem neuen ÖVP-U-Ausschuss ist diese U-Haft für die ÖVP erst einmal schwer zu verdauen“, meint Politikexperte Thomas Hofer.
Die verhängte U-Haft ist auch der einstweilige Tiefpunkt im Leben der Meinungsforscherin und Ex-ÖVP-Familienministerin, die von 2013 bis 2017 dem Kabinett Faymann mit Michael Spindelegger und später Reinhold Mitterlehner als ÖVP-Vizekanzler angehörte.
Tatbegehungsgefahr
Richter Stephan Faulhammer – er ist für die ÖVP kein Unbekannter, hatte er doch schon Sebastian Kurz zur Falschaussage im U-Ausschuss einvernommen – glaubte den Argumenten der Oberstaatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mehr als Karmasin.
Für vorerst fünf Tage wird die Meinungsforscherin in einer Zelle isoliert – es geht um Corona-Maßnahmen. Später muss sie sich wahrscheinlich eine Zelle im Grauen Haus in der Justizanstalt Josefstadt mit anderen Insassinnen teilen.
Die Vorwürfe erklärt
Welcher Vorwurf versteckt sich hinter dem sperrigen Begriff der Tatbegehungsgefahr? Karmasin soll die eine zentrale Rolle in der Inseraten-Affäre gespielt haben. Die WKStA sieht sie als „Urheberin und maßgebliche Ideengeberin (...) hinsichtlich der 'Entwicklung des ,Beinschab-Österreich-Tools’“, wie in der Festnahmeanordnung ausgeführt wird. Auf 44 Seiten beschreibt Oberstaatsanwältin Christina Jilek die vielen Vorwürfe gegen Karmasin.
Neue Vorwürfe
Bei der 55-Jährigen besteht laut WKStA der Verdacht der Untreue, der Bestechung und Bestechlichkeit. Aber es kam noch schlimmer: Durch die Aussagen von Karmasins ehemaliger persönlicher Assistentin, Sabine Beinschab, sind neue Vorwürfe hinzugekommen.
Da Karmasin bei jedem Auftrag, den Beinschab erhielt, 20 Prozent Provision kassierte und dies auch während ihrer Zeit als Ministerin getan hat, besteht bei ihr nun der Verdacht des Vergehens der Geldwäsche.Insgesamt sollen es 46.280 Euro an Provisionen zwischen 2016 und Mai 2018 gewesen sein.
Warum aber greift hier das Vergehen Geldwäsche?
Die WKStA geht davon aus, dass Karmasin und Beinschab gewusst haben, dass das Geld, das sie bezahlt bekommen haben, aus einer strafbaren Handlung stammt. Zur Erinnerung: Die nämlichen Rechnungen wurden unter falschem Vorwand im Finanzministerium eingereicht und beglichen. Und da das kriminell ist, gilt das Geld juristisch als „gewaschen“.
Diesen Punkt bestreitet Karmasin – sie haben von den Beinschab-Scheinrechnungen nichts gewusst. Wohl um den Kronzeugenstatus zu bekommen, hat Beinschab Karmasin zudem belastet, indem sie behauptet hat, dass die Ex-Ministerin ein mutmaßlich illegales Geschäftsmodell entwickelte.
Das lief angeblich so: Um an drei finanziell lukrative Aufträge des Sport- sowie des Kulturministeriums zu kommen, hat Karmasin ihre damalige Freundin Beinschab und eine weitere Vertraute gebeten, inhaltlich vorgegebene Scheinangebote an die Ministerien zu legen. Diese Angebote mussten schlechter sein als jene von Karmasin, damit die Ex-Ministerin den Zuschlag erhält. Bis 2021 lief dieses Modell der wettbewerbsbeschränkenden und rechtswidrigen Absprachen – und genau dieser lange Zeitraum wurde Karmasin vor Gericht zum Verhängnis.
Neue Ausbildung
Da Karmasin in den vergangen sieben Jahren immer wieder neue Ideen für strafrechtlich relevante Geschäftsmodelle entwickelt hatte, ortete der Richter eine hohe Wahrscheinlichkeit der neuerlichen Tatbegehungsgefahr. Auch das Argument, dass Karmasin beruflich eine Umsattelung vorbereite, nützte ihr am Ende nichts.
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