Beinschab-Affäre: Diese weiteren Sinnlos-Studien bezahlte das Finanzministerium
Für diese Erkenntnisse flossen Steuergeld: Österreicher halten Potenzmittel für das gefährlichste illegale Medikament und im britischen Finanzamt haust ein Kater.
Am Mittwoch veröffentlichte das Finanzministerium 22 Studien, zu denen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt. Darunter befinden sich 13 Machwerke der Meinungsforscherin Sabine Beinschab. Der Vorwurf: Die Studien sollen dafür gedient haben, Beinschab Scheinrechnungen für Umfragen auszustellen, die in der Tageszeitung Österreich erschienen. Diese Umfragen sollen wiederum bestimmte ÖVP-Politiker in ein günstiges Licht gerückt haben. Gleichzeitig inserierten die türkisen Ministerien kräftig im Boulevard-Blatt. Der Verdacht der Bestechung und Bestechlichkeit steht im Raum. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Dem Finanzministerium waren die Studien nicht bekannt, erst durch einen internen Revisionsbericht wurden sie wiederentdeckt. Über das Beinschab-Werk "Wirtschafts- und Budgetpolitik", von 2016 bis 2018 entstanden, hat der KURIER bereits ausführlich berichtet. Es vergleicht Politiker mit Tieren - Sebastian Kurz ist demnach ein hinterfotziger Pfau, der über Leichen geht - und Parteien mit Automarken, was nur peripher in den Tätigkeitsbereich des Finanzministeriums fallen dürfte.
Doch auch die anderen 21 Studien sorgen durchwegs für Verwunderung. Das Finanzministerium hat sie veröffentlicht, nachdem die WKStA dafür grünes Licht gegeben hat. Der KURIER hat sich einen ersten Überblick verschafft.
Beginnen wir mit den Beinschab-Studien: Sie haben insgesamt 587.400 Euro gekostet, sind meist äußerst kurz und inhaltlich dürftig.
Für eine Studie über das Nutzer-Erlebnis auf der BMF-Website, bezahlte das Ministerium 50.400 Euro. Die Umfrage zeigt, dass 80 Prozent der Befragten bereits die BMF-Website benutzt haben und ebenso 80 Prozent über einen FinanzOnline-Zugang verfügen. Das Werk besteht aus 24 bündigen Power-Point-Folien.
Immerhin 35.880 Euro investierte man 2019 in eine Studie zur Transparenzdatenbank. Hieraus erfahren wir, dass Unternehmern der Begriff "Transparenzdatenbank" eher ein Begriff ist, als der "Bevölkerung". Ein paar simple Balkendiagramme später zieht die Studie das laut Eigenaussage "spannende" Fazit: "Der Begriff Transparenzdatenbank ist nicht jedermann bekannt".
Mit 18.000 Euro vergleichsweise günstig: Eine Studie zum Thema "Glücksspiel", erstellt 2018. Ja, sie bestätigt, Lotto ist das beliebteste Glücksspiel der Österreicher.
Offene Kosten in die Betrugsbekämpfungsstudie gepackt?
In einer andere Preiskategorie fällt wiederum eine Studie zur Betrugsbekämpfung für 61.740 Euro. In diese Studie sollte Beinschab laut Chatprotokollen sachfremde Aufwendungen für parteipolitische Umfragen einberechnen, in denen die ÖVP gut wegkommt. Thomas Schmid, seinerzeit Generalsekretär im Finanzministerium, schreibt an Beinschab: "Die Kosten für die offenen packst du dann in die Studie zur Betrugsbekämpfung rein".
Was kann die Umfrage inhaltlich? 51 Prozent der Befragten wünschen sich, dass das Thema Steuerbetrug stärker im Wahlkampf angesprochen wird. 49 Prozent sehen das anders. Fazit: "Steuerbetrugsbekämpfung ist ein Thema, das in der Bevölkerung spontan wenig Rolle spielt."
Illegale Potenzmittel? Gefährlich!
Aber nicht nur Studien von Beinschabs "Research Affairs" sollen ohne Ausschreibung durchgeführt und vom Finanzministerium bezahlt worden sein. Im veröffentlichten Konvolut sind auch Studien der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Media Affairs, OGM, GfK und Karmasin Research zu finden.
Die Studien variieren in Ihrer Qualität, nicht alle sind ressortfremd. OGM führte etwa eine volkswirtschaftliche Evaluierungen der Steuerreform auf Basis statistischer Daten durch. Die Ergebnisse wurden bis auf Ebene der Bezirke mit einer Darstellung der Effekte für unterschiedliche Zielgruppen dargestellt. Diese Studien zu den Verteilungswirkungen wurden auch veröffentlicht.
Doch es gibt auch Beispiele, die eher wenig mit der Arbeit des BMF zu tun haben: Karmasin Research führte etwa eine Befragung zum Thema "Medikamentenfälschung" durch. Inwiefern das für das Finanzministerium von Relevanz ist, bleibt unbekannt. Was man nun aber weiß: 70 Prozent der Befragten vermuten, dass die am häufigsten verwendeten gefälschten Medikamente in Österreich Potenzmittel seien.
Bot ATV Löger etwa keine Bühne?
Interessante Einblicke gibt auch eine Medienmarktanalyse von Media Affairs. Im Fokus: der damalige Finanzminister Hartwig Löger und sein Nachfolger Eduard Müller. Die Studie analysiert etwa, wie positiv oder negativ Löger und Müller in unterschiedlichen Medien wiedergegeben wurde.
Über reichlich Positivberichterstattung konnte sich Löger im Boulevard freuen - insbesondere in der Gratiszeitung Österreich. Ärgerlich für den Ex-Minister: ATV Aktuell habe ihm "trotz Steuerreform keine Bühne" geboten. Für den KURIER setzt es Lob und Tadel.
Finanzhai Kater Gladstone
Gleichfalls für Stirnrunzeln sorgt eine "Social Media-Studie" aus dem Jahr 2016, die mit tierischen Beinschab-Reminiszenzen aufwarten kann. Der Kommunikationsunternehmer und Wiener VP-Landtagsabgeordnete Josef Mantl zählt zu den Autoren. Im Rahmen der Studie wurden nach trivialsten Begriffsdefinitionen unter anderem die Facebook-Auftritte des damaligen Außenministers Sebastian Kurz und FPÖ-Parteichefs Heinz-Christian Strache analysiert.
Hernach begutachten die Autoren die Facebook-Seite des Finanzmininsteriums - und vergleichen sie mit anderen Facebook-Auftritten internationaler Finanzministerien. Bei ihren Recherchen stoßen sie unter anderem auf Postings, die vom britischen Finanzministeriums-Kater Gladstone handeln. Gladstone ist nunmehr sieben Jahre alt, erfreut sich bester Gesundheit und hat 21.900 Follower auf Instagram.
Schelling, bekanntester Politiker Österreichs
Auch eine GfK-Studie zur Steuerreform aus dem Jahr 2016 versteht es, zu überraschen. Demnach war tatsächlich der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling im Juli 2016 Österreichs bekanntester Politiker - noch vor Christian Kern und Sebastian Kurz.
Kein Mehrwert?
Bei der Opposition sorgen die Studien für Unmut. Man sehe in den Studien "eher keinen Mehrwert" für das Finanzministerium, die ÖVP solle das Studien-Geld zurückzahlen, forderten SPÖ und Neos am Donnerstag.
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