Warum Österreich zwei Millionen Dosen liegen ließ
Die Zahlen zeigen: Österreich hätte mehr Impfdosen laut EU-Verteilungsschlüssel ordern können als tatsächlich bestellt wurden.
Die 27 EU-Staaten haben im Sommer 2020 gemeinsam beschlossen, bei sechs Herstellern 2,6 Milliarden Impfdosen zu bestellen. In der EU leben 450 Millionen Menschen, gemäß der österreichischen Bevölkerung (8,9 Millionen) stehen uns 1,99 Prozent dieses EU-Kontingents zu. Doch dieses wurde vom Impfkoordinator Clemens-Martin Auer nicht zur Gänze abgerufen. Er ist mittlerweile zurückgetreten.
Zwei Beispiel für die lückenhafte Bestellung: Wie die Grafik zeigt, hätte Österreich nach dem 1,99-Prozent-Schlüssel von Johnson & Johnson 3,9 Millionen Dosen bestellen können – tatsächlich wurden nur 2,5 Millionen geordert. Von Biontech/Pfizer hätten 9,8 Millionen Dosen bestellt werden können, tatsächlich sind es nur 9,2 Millionen. So entsteht allein bei diesem Hersteller eine Lücke von 650.000 Dosen für das laufende Jahr 2021.
Nur für das zweite Quartal (bis Ende Juni) muss man also davon ausgehen, dass Österreich 760.130 Impfdosen im EU-Kontingent liegen gelassen hat.
Hätte Österreich wie etwa Dänemark deutlich mehr Impfdosen vom ersten in der EU zugelassenen Anbieter Biontech/Pfizer bestellt, wäre die Durchimpfungsrate hierzulande eine ungleich höhere. Dänemark hat mit Stand Dienstag 14,6 Prozent der Bevölkerung geimpft, Österreich 11,7 Prozent. Womit wir allerdings im EU-Durchschnitt liegen.
Das Gesundheitsministerium sagt über die nicht georderten Dosen zum KURIER, dass es sich dabei nur um „eine mögliche Bestellmenge im genannten Zeitraum“ handle. „Das Problem ist nicht die Menge der bestellten Dosen. Der kritische Faktor ist die zeitliche Verfügbarkeit.“ Bis zum Jahresende habe Österreich 31 Millionen Impfdosen bestellt – folglich sei die „Vollimmunisierung für jeden Menschen, der in Österreich lebt, um das 2,85-Fache gesichert“, so das Ministerium. (Bei einigen Herstellern müssen zwei Dosen verimpft werden, um die Immunisierung zu bewerkstelligen; bei Johnson & Johnson reicht eine Dosis)
Mit in die Bestellung eingebunden war natürlich die Bundesregierung, da alles in den Ministerräten beschlossen wurde. Man ging allerdings – so das Argument der Bundesregierung – davon aus, dass die zuständigen Beamten im Gesundheitsministerium dem Bestellschlüssel von 1,99-Prozent der Bevölkerung folgen würde, was sie nachweislich nicht taten. Darum kümmert sich in Österreich nun statt dem zurückgetretenen Impfkoordinator Auer die neue Direktorin für die Öffentliche Gesundheit, Katharina Reich.
In die Kritik geraten ist nicht nur der Bestellvorgang, sondern auch die Kosten für die Vakzine. Geht es nach Unterlagen der SPÖ, so habe es bis Februar eine Obergrenze für die Beschaffung der Impfstoffe von 200 Millionen Euro gegeben. Auch Anschober argumentierte jüngst in diese Richtung. Finanzminister Gernot Blümel widersprach heftig. Zum Kostenvergleich: Eine Woche im Lockdown kostet die heimische Volkswirtschaft über eine Milliarde Euro.
Preisgefälle
Die Preise für die Impfstoffe sind freilich unterschiedlich. Während pro Dose Biontech/Pfizer laut SPÖ-Infos 12 Euro zu zahlen sind, kostet eine Impfdose von AstraZeneca 1,78 Euro. Moderna ist mit 15,10 Euro/Dose am teuersten. Ob diese Preise stimmen, das lässt sich nicht verifizieren. Das Gesundheitsministerium verweist auf KURIER-Nachfrage auf geheimen Verträge.
Wer immer sich in Österreich über Vakzine, den Impf-Fortschritt oder den Status der wöchentlichen Impflieferungen informieren will, der wird er auf der Homepage des Gesundheitsministeriums enttäuscht.
Auf info.gesundheitsministerium.gv.at findet man im vierten Monat der Impf-Kampagne keine Daten über wöchentliche Impf-Lieferungen. Lediglich ein grober Überblick über die Monate März und April sind dort ausgewiesen. Für Astra Zeneca findet man keine April-Daten, bei dem soeben zugelassenen Impfstoff von Johnson & Johnson sind gar keine Daten veröffentlicht – dafür wird die Zulassung von Sanofi für 2022 avisiert.
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