Warum nur vier Kreml-Diplomaten gehen müssen
Das Zögern und Zaudern ist vorbei: Am Donnerstag hat auch Österreich russische Diplomaten ausgewiesen – nämlich vier. Ungarn, Luxemburg und Zypern sind damit die letzten EU-Staaten, die auf diplomatischer Ebene keine Konsequenzen aus dem Massaker in der ukrainischen Kleinstadt Butscha gezogen haben. Die Grünen und die Neos unterstützen den Schritt, die FPÖ nicht. Die SPÖ ist sich nicht sicher, will Gesprächskanäle offen halten.
"Wien ist Spionage-Drehscheibe"
Empört zeigte sich der russische Botschafter in Wien, Dmitri Ljubinski. Er klagte über einen „offen unfreundlichen“ Schritt, kündigte rasche Gegenmaßnahmen an. Die vier Diplomaten hätten mit dem Wiener Übereinkommen „unvereinbare Handlungen“ gesetzt, begründete das Außenministerium die Aktion. Damit dürften Geheimdiensttätigkeiten gemeint sein. „Es ist davon auszugehen, dass es noch mehr russische Diplomaten gibt, die in Österreich Spionage betreiben. Wien ist eine internationale Spionage-Drehscheibe“, sagt Russland-Experte Gerhard Mangott zum KURIER.
Gar ein Viertel der 146 russischen Diplomaten in Österreich könnten Spione sein, schätzt etwa Sicherheitsexperte Siegfried Beer. Warum müssen dann nur vier russische Diplomaten gehen? Wie lässt sich Österreichs lasche Reaktion erklären? Slowenien weist im Vergleich 33 von 41 Personen aus.
"Dünn aufgestellt"
Insider sprechen im KURIER über starke Eigeninteressen, die Österreich wahren wolle. Russland dürfte als Gegenmaßnahme nun nämlich vier österreichische Diplomaten ausweisen. Österreich hat aber nur 33 Personen für seine Moskauer Botschaft akkreditiert. Man sei „dünn aufgestellt“, sagen Kenner, die Funktionsfähigkeit der Botschaft soll aber unter allen Umständen aufrechterhalten bleiben – als Anlaufstelle für Auslandsösterreicher und die Wirtschaft.
Österreich habe zudem ein manifestes nationales Interesse, internationale Organisationen mit russischer Beteiligung – wie die OSZE – in Wien zu halten. Gleichzeitig verfügt man als einziger EU-Staat über einen UN-Sitz. „Ausweisungen von Diplomaten haben in Österreich keine große Tradition. Seit 1945 wurde erst einmal ein russischer Diplomat zur Persona non grata erklärt“, sagt Experte Mangott – im August 2020 wurde ein Russe wegen Wirtschaftsspionage ausgewiesen.
Österreich sei im Rahmen der EU jedenfalls unter Druck gestanden, „nachzuziehen und ein öffentliches Signal zu setzen“, so Mangott: „Es ging auch darum, Russland wegen des Massakers in Butscha anzuzählen und der eigenen Bevölkerung zu zeigen, dass man reagiert.“ Warum genau es diese vier Personen getroffen hat, wollte das Ministerium auf Anfrage nicht im Detail kommentieren.
Ewa Ernst-Dziedzic, außenpolitische Sprecherin der Grünen, begrüßte den Schritt zwar sehr, wie sie im KURIER betonte, plädierte aber dafür „sich weitere Personen genauer anzusehen, weil das mit Sicherheit nur die Spitze des Eisbergs“ sei. Weitere Ausweisungen sind also nicht ausgeschlossen.
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