Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) gab noch am Montag bekannt, Ljubinskij zum vierten Mal in kürzester Zeit ins Außenministerium zu zitieren. Man werde ein Ende des russischen Angriffskriegs fordern und dem Botschafter auch klar vermitteln, „dass Falschinformationen weder Untersuchungen mutmaßlicher Kriegsverbrechen an Zivilisten, noch die Strafverfolgung der Verantwortlichen aufhalten werden“, hieß es aus dem Außenministerium zum KURIER. Botschafter Ljubinskij verhöhne die Kriegsopfer, sagte Schallenberg.
Auf die Ausweisung von Diplomaten verzichtet Österreich vorerst. Diese sei „eine Option, deren Nutzen wir diskutieren werden“, sagt Ewa Ernst-Dziedzic, außenpolitische Sprecherin der Grünen zum KURIER.
„Dass EU-Staaten russische Diplomaten ausweisen, ist in erster Linie ein Signal, dass sie sich an der Bestrafung Russlands beteiligen“, sagt Spionage- und Sicherheitsexperte Siegfried Beer zum KURIER. Für Österreich wäre das aber ein unüblicher Schritt: „Wir lösen das eher unter der Hand, ich erwarte mir keine Ausweisungen, das wäre fast ein Stilbruch.“
Aber: Österreich wies im August 2020 einen Diplomaten der russischen Botschaft aus, der Wirtschaftsspionage betrieben haben soll. Andere EU-Staaten wie Polen, die Niederlande und seit Montag auch Deutschland haben seit Kriegsbeginn Dutzende russische Diplomaten ausgewiesen, die der Spionage verdächtig waren. Gerade Wien, mit vielen internationalen Organisationen und der geografisch zentralen Lage, galt im Kalten Krieg als Stadt der Spione. Auch heute gebe es noch überproportional viele, so Beer: Ein Viertel der schätzungsweise 100 russischen Diplomaten in Wien dürften in der Spionage tätig sein. Russlands Geheimdienste benutzen die Spione, um etwa an politische, wirtschaftliche oder militärische Staatsgeheimnisse zu gelangen.
Vor allem in aktiven Kriegszeiten ist das sicherheitspolitisch problematisch. Russische Spione könnten etwa Aufklärungsarbeit zu Waffenlieferungen betreiben. Österreich beobachte „die Lage im Hinblick auf die Einhaltung der Wiener Diplomatenrechtskonvention“ sehr genau, so das Außenministerium. „Wir müssen uns auf EU-Ebene überlegen, wie wir russische Spione behandeln und klare Kante zeigen“, sagt Ernst-Dziedzic.
"Vollkommen übertrieben"
Klare Kante: Ein überfälliger Schritt, glaubt man einem aktuellen Bericht der Financial Times. Demnach sei die russische Botschaft in Wien ein „Flugzeugträger“ für russische Spionage-Aktivitäten. Das Verteidigungsministerium sei praktisch eine „Abteilung“ des russischen Militärnachrichtendienstes. Eine „vollkommene Übertreibung“, widerspricht Beer: „Die Beziehungen zu Moskau haben sich durch die Nähe zur österreichischen Wirtschaft und zur FPÖ vielleicht intensiviert, aber die österreichischen Dienste sind sicher nicht der Flugzeugträger für russische Spione.“
Die russische Botschaft ließ eine KURIER-Anfrage am Montag unbeantwortet. Litauen verwies als erster EU-Staat den russischen Botschafter des Landes.
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