Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner über seine Schwerpunkte als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, wie er die Auswirkungen der Omikron-variante beurteilt und sein Verhältnis zu Karl Nehammer und Umweltministerin Leonore Gewessler.
KURIER: Herr Wallner, Gecko-Leiterin Katharina Reich sprach davon, dass die Durchseuchung passieren wird. Ist es für ein Tourismusland nicht fatal, wenn man als Strategie die Durchseuchung wählt?
Markus Wallner: Durchseuchung kann keine Strategie sein, die man anstrebt. Katharina Reich hat das auch genau so artikuliert. Die Virus-Variante ist aber so ausgestaltet, dass wir mit einem rapiden Infektionsanstieg rechnen müssen. 20.000 Infektionen pro Tag sind eine Entwicklung, die wir so überhaupt nicht kennen. Es kann auch noch höher werden, denn die Schweiz hat derzeit rund 30.000 Infektionen. Die Frage ist, wie reagiert man auf die Infektiosität? Unser Covid-19-Regime ist eines der strengsten in ganz Europa. Wir haben die Quarantäne-Regelungen angepasst, aber gleichzeitig wurde vereinbart, die Normalbetten- und Intensivbettenbelegung sehr genau zu beobachten. Die letzten Entscheidungen sind noch nicht getroffen. Wir wählen eine Strategie der Verlangsamung und Dämpfung der Entwicklung.
Sie haben betont, wie infektiös Omikron ist. Wenn man geboostert ist, gilt man nicht mehr als Kontaktperson. Ist das nicht zu riskant?
Das war keine leichte Entscheidung, bei einer hohen Infektiosität die Quarantänebestimmungen zu lockern. Wir sind den Empfehlungen der Gecko-Kommission gefolgt. Hohe Infektiosität bedeutet schnelleres Infizieren, aber auch schnelleres Freitesten. Wenn wir die Absonderungsregeln nicht geändert hätten, könnten weit über eine Million Menschen abgesondert werden – das ist ein unglaublicher Wert. Das muss man gegenüber stellen, was passiert, wenn etwa ein Drittel der Polizisten oder des Pflegepersonals ausfällt.
Können Sie sich sicher sein, dass Ihnen die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler während Ihres Vorsitzes die geplante S18 nicht abdreht?
Wir sind im Moment in einer zwiespältigen Situation. Auf der einen Seite gibt es einen gesetzlichen Auftrag, diese Autobahnverbindung herzustellen. Auf der anderen Seite hat die Frau Minister angekündigt, sie möchte neue Varianten evaluieren.
Eine ähnliche Situation, wie beim Lobautunnel ...
Wir hängen seit zehn Jahren in Evaluierungen, und man fragt sich, was da noch evaluiert werden soll. Darüber gab es ein großes Kopfschütteln im Land. Der Kompromiss war, dass die Planungen bei der Asfinag weitergehen, und gleichzeitig evaluiert wird. Ich kann nur sagen: Wir sollten keine Zeit verlieren. Denn die Verbindung der beiden Autobahnen ist ein langjähriges Interesse der Bevölkerung im gesamten Rheintal. Es gibt Tausende Menschen, die auf eine Entlastung warten. Ein Stopp wäre ein schwerer Schlag ins Gesicht für die Bevölkerung, der man die Belastung nicht mehr länger zumuten kann.
In den kommenden sechs Monaten steht noch viel am Spiel für die ÖVP. Neuwahlen sind immer noch möglich. Wie will die ÖVP aus der Krise kommen?
Mit klarer Führung und klaren Inhalten und einer guten Abstimmung mit den Bundesländern kann man sich in eine positive Richtung bewegen. Die ersten Wochen zeigen, dass das möglich ist. Man sollte vermeiden, über Neuwahlen zu spekulieren. Bei Omikron haben wir alle Hände voll zu tun, durch die Krise zu kommen.
Ist das das Comeback der Ländermacht, wie es vor Sebastian Kurz war?
Ich war immer der Meinung, dass es eine gute Abstimmung benötigt. Mein Eindruck ist, dass man sich hier extrem bemüht, das Miteinander voranzubringen, denn wir sind stark gefordert. Das ist allen bewusst.
Ist die Situation aus Ihrer Sicht besser als vor einem Jahr?
Ich will mich im Nachhinein nicht beschweren. Ich hatte einen guten Kontakt mit Sebastian Kurz.
Sie wollen das Pflegethema in den Mittelpunkt ihres Vorsitzes gestellt. Stellen Sie Sozialminister Mückstein damit die Rute ins Fenster, dass er sich nicht nur um die Pandemie kümmern kann?
Ich habe Verständnis dafür, dass im Gesundheitsministerium manche Themen nicht leicht voranzubringen sind. Aber man darf das Thema Pflege trotz Pandemie nicht aus den Augen verlieren und es ist ein Thema, das ganz stark in die Kompetenzen der Bundesländer geht. In Vorarlberg haben wir 80 Prozent Pflege zu Hause. Ich erwarte mir, dass auch die Gemeinden eingebunden werden und es muss Tempo ins Thema kommen. Wir brauchen Verbesserung was Pflegegeldanpassungen betrifft. Ich habe angeregt, die Pflegelehre zu forcieren. Wir müssen Ausbildungsfonds installieren, bei denen man in jeder Alterskategorie Ausbildungsmodule anbietet. Hier sind wir zu starr im System.
Sie waren zuletzt mit Vorwürfen konfrontiert, im Finanzministerium für die Illwerke, die im Besitz des Landes stehen, interveniert zu haben. Zeigt das nicht ein fatales Bild, dass sich Multimillionäre und die ÖVP-Länder ihre Steuerangelegenheiten im ÖVP-Finanzministerium richten können?
Diese beiden Themen sind nicht vergleichbar und die Anschuldigungen entbehren jeder Grundlage. Bei einer Großbetriebsprüfung für die Jahre 2012 bis 2017 hat die Finanz ihre Rechtsmeinung, die sie über Jahrzehnte vertreten hat, plötzlich verändert. Bestritten wurde das Heimfallsrecht, das schon im Jahr 1994 durch ein Schiedsgericht entschieden wurde. Dieses Vorgehen hat uns alle sehr verwundert. Das Land Vorarlberg ist hundertprozentiger Eigentümer der Illwerke, und deswegen bin ich als Eigentümervertreter informiert worden. Ich habe es nicht als Intervention gesehen, sondern es war meine Pflicht, das Finanzministerium darüber zu informieren, dass wir diesen Steuerbescheid mit allen Rechtsmitteln bekämpfen werden. Es gab einen offiziellen Termin im Finanzministerium, bei dem wir mit Juristen und Experten angereist sind, um unseren rechtlichen Standpunkt darzulegen. In den letzten Großbetriebsprüfungen in den Jahren 2020 und 2021 wurde der Rechtsstandpunkt bei Illwerke übrigens bestätigt.
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