Wahlkampf-Störfeuer durch geleakte Daten

Wolf, Kotanko, Salomon, Portisch, Rabl (v.li.)
Runde der Chefredakteure: Portisch, Wolf, Rabl und Kotanko debattierten über Umgang mit Datenklau und den Blick in „finanzielle Unterwäsche“

Der Intensivwahlkampf im Vorfeld des 29. September war Hauptthema der Runde der früheren Chefredakteure. Einzig Helmut Brandstätter fehlte auf der Bühne beim KURIER-Tag. Der Grund: Er kandidiert auf Platz 2 für die Neos und ist aktuell nicht mehr als Journalist tätig.

Der sicherlich legendärste Zeitungschef der Runde, Hugo Portisch, der den KURIER in den frühen 1950er-Jahren leitete, empfindet den Wahlkampf – anders als seine Kollegen – als eher „ruhig“. „Im Vergleich zu früheren habe ich von einem schmutzigen Wahlkampf noch nicht viel bemerkt“, sagte Portisch im Gespräch mit der aktuellen KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon. Die Zeiten seien jedenfalls „sehr interessant“. Es gebe jeden Tag etwas zu berichten und zu kommentieren (siehe Video von der Diskussion unten).

Portisch brachte in die Runde die internationale Sicht ein – vorrangig jene auf US-Präsident Donald Trump. Es wundere ihn, dass jemand wie Trump eine derartige Karriere machen konnte und noch immer im Weißen Haus geduldet wird, sagte Portisch.

Unter den Portisch-Nachfolgern und späteren Chefredakteuren des KURIER, von Franz Ferdinand Wolf über Peter Rabl bis Christoph Kotanko, wurde vor allem über die jüngsten ÖVP-Enthüllungen (Schulden, Spesen etc.) diskutiert. Und was wirklich alles an Partei-Interna im öffentlichen Interesse sei und veröffentlicht werden müsse.

Rabl sagte, er hätte „großes Bauchweh“, wenn er nicht wüsste, aus welcher Quelle heikles Material stamme. Und er würde nur veröffentlichen, was im Widerspruch zu öffentlichen Aussagen – in diesem Fall der ÖVP – stehe. Die Öffentlichkeit habe aber kein Anrecht auf einen „Blick in die finanzielle Unterwäsche der ÖVP“, so Rabl.

Kotanko nahm eine etwas offensivere Position ein. Klar, es sei zu klären, wer geheime Daten an eine Zeitung weitergebe. Aber, so Kotanko: „Ich wäre bei der Selbstbeschränkung in der Berichterstattung sehr vorsichtig. Den Inhalt (das geleakte Material) auszublenden, halte ich für falsch.“

Wolf riet, die wesentliche Frage für sich selbst zu beantworten: „Was will derjenige, der mir das Material gegeben hat, eigentlich damit erreichen?“ Für Wolf steht fest, es gehe darum, mit peinlichen Enthüllungen über die ÖVP den Wahlkampf zu „stören“.

Einig waren sich die Ex-KURIER-Chefs darin, dass nach dem Wahlkampf beide, Politik und Medien, beschädigt sein würden. Salomon und Rabl haben sich jüngst vom Kurznachrichtendienst Twitter verabschiedet. Rabl sagt: „Da ist eine linksliberale Blase unterwegs, bei der es sinnlos ist, mitzudiskutieren.“

Runde der ehemaligen Chefredakteure

Kommentare