ÖBB-Chef: "Ich führe keinen Wahlkampf"
Der Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Andreas Matthä, will sich nicht am laufenden Wahlkampf beteiligen und auch nicht hineingezogen werden. "Ich führe keinen Wahlkampf", sagt Matthä. Natürlich sei die Bundesbahn ein "Unternehmen der Österreicher" und müsse sich auch den Sachdiskussionen stellen, aber "ich möchte auf dieser Sachebene bleiben", betont er.
ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger hatte dem ÖBB-Chef vor einigen Tagen vorgeworfen, dass "die ÖBB anscheinend auf Kosten der Steuerzahler einen Wahlkampfauftritt für SPÖ-Regierungsmitglieder finanzieren" (der KURIER berichtete). Matthä konterte, dass Ottenschläger offenbar zwei Veranstaltungen verwechselt habe. Die ÖBB würden regelmäßig Mitarbeiter, die ein Mandat ausüben, über aktuelle Themen des Konzerns informieren. Im vorliegenden Fall gehe es um die von den Sozialpartnern gestartete - Kampagne "Ja zur Bahn in Rot-Weiß-Rot", in der etwa die Beibehaltung von Direktvergaben von Verkehrsleistungen durch Gebietskörperschaften gefordert wird. Ein "Überraschungsauftritt" von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), wie Ottenschläger gemutmaßt hatte, sei dort nicht geplant, vermutete Matthä eine "Verwechslung" mit einer Veranstaltung der Bahn-Gewerkschaft vida.
Die Kampagne "Sag Ja zur Bahn in Rot-Weiß-Rot" werde von den ÖBB sowie auch von anderen Bahnunternehmen wie den Wiener Linien und zahlreichen weiteren Organisationen wie Greenpeace Österreich ganz offiziell unterstützt. Die Initiative ist von der vida-Gewerkschaft und dem Fachverband Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer (WKO) ins Leben gerufen worden, im Internet werden Unterschriften gesammelt.
Für Direktvergabe
Matthä selber plädiert auch für die Beibehaltung der Direktvergabe: Nur durch diese Regulierung sei ein integrierter Taktfahrplan überhaupt möglich. Das heißt, dass neben der Bahn auch andere Verkehrsträger bei der Trassenvergabe so gesteuert werden, dass dadurch regelmäßige Abfahrts- und Umsteigezeitpunkte eingehalten werden können. "Für einen integrierten Taktfahrplan braucht man die Direktvergabe", unterstreicht Matthä.
Die steigende Zahl der Fahrgäste im Personenverkehr bringe es mit sich, dass die Trassen immer stärker ausgelastet werden, die Bahnen fahren also in immer kürzeren Abständen. Ein möglicher Konfliktfall ist bereits da: Weil die mehrheitlich private Westbahn, ein ÖBB-Konkurrent, ab Fahrplanwechsel im Dezember mit ihren Fernzügen in Wien auf der Schnellbahnstrecke bis zum Praterstern fährt, könnte dies die verdichteten Schnellbahn-Züge der ÖBB aus dem Takt bringen, fürchtet Matthä Verspätungen für den Pendlerverkehr der Schnellbahn: "Ich bin da skeptisch". Er lasse sich aber auch gerne eines Besseren belehren.
Eigentlich würden die Schnellbahn-Gleise den Pendlern gehören, meint er. Die Westbahn habe sich aber mit ihrem Wunsch, die Züge nach Salzburg schon am Praterstern in Wien beginnen zu lassen, durchgesetzt. Die neue Trassenplanung gilt ab Fahrplanwechsel für ein Jahr. Dadurch fahre die Westbahn den Wiener Hauptbahnhof auf den Schnellbahngleisen im Untergeschoß an. "Dass die Westbahn jetzt im Keller fährt, stört mich nicht", meint der ÖBB-Chef etwas ironisch.
Digitalisierungsoffensive geht weiter
Wie Matthä im APA-Gespräch außerdem sagte, haben die ÖBB in den letzten zehn Jahren 130 Mio. Euro in die Digitalisierung investiert. Alle Vertriebskanäle wurden vereinheitlicht.
Jetzt werden über 1.000 Ticket-Automaten auf das neue Software-System umgestellt. Alle 8 Vertriebskanäle - Automaten, Schalter am Bahnhof, Internet, App, Zugbegleiter, ÖBB Reisebüro, externe Partner und telefonisches Kundenservice 05 1717 - sind dann harmonisiert.
Für die Kunden der Bahn bedeute dies natürlich eine Umgewöhnung, sagt Matthä. Die Kunden könnten mit jedem angezeigten Zug fahren - außer natürlich bei Sparschiene und einer Sitzplatzreservierung. Großer Vorteil des Systems sei die Integration der Verkehrsverbünde. So könne man mit einem einzigen Ticket etwa vom Salzburger Mirabellplatz nach Matrei am Brenner fahren - mit Bus, Railjet und S-Bahn. Die neue Basistechnologie werde auch den Verkehrsverbünden angeboten. "Wir sind bereit, das zu öffnen", sagte Matthä.
Jedes Jahr verkaufen die ÖBB 40 Millionen Tickets. Zahlenmäßig die meisten davon werden am Automaten gelöst, 25 Prozent des Umsatzes werden im Internet und über die App am Smartphone erzielt, wo die höherpreisigen Tickets erworben werden. Seit dem Start der ÖBB-App Anfang 2016 wurden bereits 1,5 Millionen Tickets via App erstanden.
Auf Erfolgskurs sei auch die neue online erwerbbare Vorteilscard 66. "Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung", sagte Matthä. Die neue Vorteilscard kostet nur mehr 66 statt wie die Vorteilscard Classic bisher 99 Euro und bringt ebenso Ermäßigungen bis zu 50 Prozent auf den Ticketpreis.
Telefonie-Qualität
Verbessert werde auch die Telefonie-Qualität an Bord der Züge. Mit Dezember starte auf der Westbahnstrecke zwischen Wien und Salzburg das verbesserte System für den Mobilfunk, das in Kooperation mit drei Mobilfunkbetreibern umgesetzt wird. Ziel sei es störungsfreier zu telefonieren - was in den Zügen wegen der Strahlendämpfung nur durch leistungsfähige Verstärker (Repeater) in den Fahrzeugen möglich sei. Anschließend soll auch auf der Südstrecke die Telefonie-Qualität verbessert werden.
Insgesamt nimmt die Zahl der Fahrgäste der ÖBB weiter zu, freut sich Matthä. Im Personenverkehr werde die Parkraumbewirtschaftung in der Ost-Region eine weitere Zunahme der Fahrgäste bringen, in Tirol wirke sich die Verbilligung durch den Verkehrsverbund positiv aus. Auch der Einsatz modernere Züge führe zu immer mehr Fahrgästen. "Österreich ist ein Bahn-Land", verweist der ÖBB-CEO auf den Spitzenplatz Österreichs in der EU-Statistik: Hierzulande werden die meisten Bahnkilometer pro Bürger gefahren - übertroffen wird das Land nur von der Schweiz. Laut dem jüngsten Marktbericht liegen Österreichs Bahnpassagiere mit 1.427 pro Kopf und Jahr gefahrenen Kilometern im EU-Vergleich an der Spitze.
Schlechte Margen im Güterverkehr
Im Güterverkehr spürt die Bundesbahn das Anspringen der Konjunktur: Mit den Mengen sei man "sehr zufrieden", mit den Preisen gar nicht, erläutert Matthä die Problematik: "Die Margen sind eigentlich fürchterlich". Bei den steigenden Mengen müsse man auf eine Optimierung der Kapazitäten setzen. "Derzeit fährt alles was Räder hat". Im Güterverkehr sind die Bundesbahnen mittlerweile europaweit Nummer Zwei, nach der Deutschen Bahn.
Dabei sind die langen Strecken, wie von der Türkei ins Ruhrgebiet, ein wesentlicher Teil der Erfolgsstrategie der Rail Cargo und werden weiter verstärkt. Zur Unterstützung des Außenhandels soll mit Jahresanfang 2018 die Strecke Deutschland - Österreich - Triest - Mersin und von dort mit der türkischen Bahn nach Teheran ins Angebot genommen werden. Diese neue Iran-Verbindung auf der südlichen Seite der Seidenstraße werde aufgrund zunehmender Nachfrage der Industrie angeboten. Für kapitalintensive Güter sei die Bahn-Verbindung zwischen Europa und China besser als die Schiffsroute, weil sie zehn bis 12 Tage schneller sei, aber nicht so teuer wie der Transport per Flugzeug.
Für den Bahntransport spreche natürlich auch das Umwelt-Argument: Eine Tonne Fracht, mit der Eisenbahn transportiert, verursacht einen fünfzehn mal geringeren CO2-Ausstoß als beim Transport per Lkw. 95 Prozent der Energie komme von erneuerbaren Energien. "Die Bahn bringt einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduktion", erklärt Matthä. Jährlich 2,9 Millionen Tonnen CO2-Ersparnis habe man der Bahn zu verdanken.
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