Mindestlohn: Warum es die Blauen nun doch billiger geben wollen
(*Update: Statement der ÖVP zu gesetzlichem Mindestlohn*)
Die FPÖ fordert einen Mindestlohn. So viel ist fix. Aber welche Summe die Österreicher aller Berufsgruppen tatsächlich garantiert im Börsel haben sollen, darüber schienen sich die Blauen zuletzt nicht ganz im Klaren zu sein.
Bei der Präsentation des Wirtschaftsprogramms am 23. August erneuerte Parteichef Heinz-Christian Strache noch die FP-Forderung nach einem Mindestlohn von 1700 Euro. Diesen Mittwoch erläuterte Partei-Vize Norbert Hofer das gesamte FPÖ-Wahlprogramm. Darin sind nur noch 1500 Euro als gesetzlicher Mindestlohn festgehalten. Erst auf Nachfrage erklärte Hofer das Zurückschrauben mit pragmatischen Gründen, in Hinblick auf mögliche Koalitionsvarianten nach der Wahl.
Wie die stv. FPÖ-Klubchefin Dagmar Belakowitsch gegenüber dem KURIER erläutert, würde man sich zwar weiterhin 1700 Euro wünschen, "das würde aber derzeit keine Mehrheit finden. Es wäre unseriös etwas zu versprechen, was realistisch nicht einzuhalten ist".
Überschneidungen mit SPÖ
Hofer gestand am Mittwoch zu, dass es in der Sozialpolitik Überschneidungen mit der SPÖ gebe. Mit den geforderten 1500 Euro liegen die Blauen aber nur auf den ersten Blick auf einer Linie mit der SPÖ. Zu deren sieben Koalitionsbedingungen zählt nämlich, dass alle Einkommen bis 1500 Euro lohnsteuerbefreit werden, was übers Jahr gerechnet mit 645 Euro pro Arbeitnehmer zu Buche schlagen würde. Die FPÖ sei "diskussionsbereit", sagt Belakowitsch, "aber das kostet enorm viel Geld, weil es für alle Einkommensgruppen gilt."
Die FPÖ-Pläne würden allerdings auch Staatsausgaben verursachen. Um die Arbeitgeber nicht zusätzlich zu belasten, schlagen die Freiheitlichen (wie die SPÖ, Anm.) eine Senkung der Lohnnebenkosten und bei sehr niedrigen Einkommen Lohnzuschüsse über das AMS ("Kombilohn") vor, erklärt Belakowitsch.
Kompromiss
Im Restbestand der aktuellen SPÖ-ÖVP-Koalition befindet sich noch eine Kompromisslösung für einen Mindestlohn. Am 30. Juni einigten sich die Sozialpartner am Tag des Verstreichens eines Regierungsultimatums auf eine kollektivvertragliche Erhöhung auf 1500 Euro brutto pro Monat bis 2020. Diese betrifft laut WIFO rund 291.000 Personen oder 9,1 Prozent der unselbstständig Beschäftigten.
Der FPÖ ist diese Übergangsfrist zu lang, daher wolle man eine gesetzliche Regelung – auch um Arbeitnehmer zu erreichen, die nicht in Kollektivverträgen erfasst sind, erklärt Belakowitsch.
SPÖ und ÖVP gegen gesetzliche Regelung
Die SPÖ bleibt dabei: "Eine gesetzliche Verankerung über die Sozialpartner hinweg wäre nur im Falle einer Nicht-Einigung angedacht gewesen. Daran hat sich nichts geändert", heißt es gegenüber dem KURIER.
Die ÖVP steht einem gesetzlichen Mindestlohn "jedenfalls ablehnend gegenüber, da dieser keine Rücksicht auf die jeweiligen branchen- und betriebsbezogenen Bedürfnisse nehmen würde", heißt es aus der Parteizentrale. Überhaupt seien "Lohnverhandlungen in Österreich Sache der Sozialpartner", sagt die ÖVP.
Auch wenn sich diese Ende Juni auf 1500 Euro geeinigt haben, so liegt das gewerkschaftliche Ziel beim Mindestlohn trotzdem nach wie vor bei 1700 Euro, wie zuletzt ÖGB-Präsident Erich Foglar unterstrich. "Dass eine Interessensvertretung auch nach einer Einigung an einer Forderung als weiterführendes Ziel festhält, ist legitim", sagt man bei der SPÖ. Als nächsten Schritt nennt man bei den Roten aber die erwähnte Steuerfreistellung.
Löhne reichen für viele nicht
Laut dem neuen AK-Arbeitsklimaindex kommen derzeit 47 Prozent der Österreicher laut eigenen Angaben mit ihrem Verdienst nicht oder nur schwer über die Runden, 2016 waren es noch 48 Prozent.Bei den Frauen gaben sogar 54 Prozent an, mit ihrem Einkommen "nicht oder gerade noch" auszukommen.
Eine Übersicht über die einzelnen Programme der Parteien finden Sie hier.
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