Wachsamkeit bei jedem Stimmzettel

Jede Partei, die im Nationalrat vertreten ist, kann Beisitzer zur Kontrolle schicken.
Das Gesetz sieht fixes Prozedere bei der Auszählung vor, trotzdem soll es zu Fehlern gekommen sein.

Ein weißer A4-Zettel, in der Hälfte gefaltet und in ein Kuvert gesteckt: So weit, so gut. Der Weg, den der Stimmzetttel dann über eine Urne im Wahllokal oder den Postkasten antritt, ist wesentlich komplizierter (siehe Grafik).

Wachsamkeit bei jedem Stimmzettel
Gegen fünf Bezirke hat das Innenministerium Anzeige erstattet, weil das strenge Prozedere bei der Auszählung der Wahlkarten für die Bundespräsidenten-Stichwahl nicht eingehalten worden sein soll. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft prüft jetzt in der Stadt und im Bezirk Villach sowie in den Bezirken Wolfsberg und Hermagor in Kärnten. Am Mittwoch kam die Anzeige gegen einen Bezirk in der Südoststeiermarkdazu.

Auf die Finger schauen

Die betreffenden Bezirkswahlbehörden sollen die Wahlkarten vor dem offiziellen Start – Montag, 9 Uhr – ausgezählt oder zumindest die Kuverts geöffnet haben. Dadurch könnten Lücken bei der Kontrolle entstanden sein.

Über einen Stimmzettel wachen viele Augen, er geht durch mehrere Hände, und durch jede Hand gleich mehrmals. "Wir zählen die Stimmzettel so oft, bis jeder Zweifel ausgeräumt ist. Jeder schaut dem anderen genau auf die Finger", schildert Melanie Eidler, Wahlbeisitzerin für die Wiener SPÖ in Hernals.

Die 22-jährige Studentin verbrachte den vergangenen Sonntag bei sommerlichen Temperaturen im Wahllokal – für eine Entschädigung von 45 Euro. Die Beisitzer der Grünen und der FPÖ kamen nicht. Unklug, findet Eidler: "Es wäre so wichtig, dass jede Partei vertreten ist. Dann kann man im Nachhinein nicht sagen, es wäre geschummelt worden."

Gegen den wiederholten Vorwurf, Beisitzer würden schwänzen, wehrt sich FPÖ-Landesgeschäftsführer Andreas Guggenberger: "Das ist eine Unterstellung. Wir haben in jedem der 1504 Wiener Sprengel einen Beisitzer und einen Ersatz gemeldet. Es kann aber schon sein, dass einmal jemand krank wird." Ob und in welcher Besetzung die Parteien vertreten sind, lässt sich nicht quantifizieren – eine Liste gibt es nicht.

Auch zur nächsten Stelle, der Bezirkswahlbehörde, kann jede Partei einen Beisitzer entsenden. Sie zählen am Montag unter der Aufsicht eines Beamten in seiner Funktion als Wahlleiter die Briefwahlstimmen aus. Das von allen unterzeichnete Protokoll und die Niederschriften werden dann an die Landeswahlbehörde weitergeleitet. Diese werden dann wiederum von einer Kommission kontrolliert und an die Bundeswahlbehörde im Innenministerium weitergeleitet. Kommt es zu einer Wahlanfechtung, werden all diese Akten und Stimmzettel noch einmal kontrolliert.

OSZE sah keinen Bedarf

Die Wahlbeobachter der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) hält das österreichische Wahl- und Kontrollsystem offenbar für ausreichend sicher. Bei einem Besuch im Februar sahen die OSZE-Vertreter jedenfalls keinen Bedarf, die Wahlen am 24. April und am 22. Mai zu kontrollieren.

Stattdessen kamen auf Einladung des Außenamts Beobachter aus Thailand, Moldawien, Norwegen und Ungarn zum ersten Wahlgang, bei der Stichwahl schaute eine Vertreterin der slowakischen Wahlbehörde in Wien und Bad Vöslau zu.

Kommentare