Vorwurf an Kurz: "Sie haben sich die Wahl erschwindelt"
Ein wenig abgehetzt erschien Sebastian Kurz am Donnerstag Abend beim "Wahltalk im Hangar 7" von Servus TV. Der ÖVP-Chef war direkt von der Elefantenrunde der Bundesländerzeitungen aus dem Salzburger Landestheater im Studio bei Michael Fleischhacker und drei Bürgern - Sonia Zaafrani, Klaus Begle und Ronald Schwarzer - eingetroffen.
Eine Elefantenrunde, die Kurz "Freude gemacht" hatte, sei es endlich einmal um inhaltliche Dinge gegangen - vor allem "um den ländlichen Raum und nicht nur um Dinge, die in der Blase, innerhalb des Gürtels, diskutiert werden".
Wie viel Freude Kurz dann mit der Diskussion im Hangar 7 hatte, ist fraglich. Einerseits wurde er von den drei eingeladenen Bürgern - im Gegensatz zum Moderator - teils scharf attackiert und hatte darüber hinaus sichtlich darunter zu leiden, immer wieder von weiteren Nachfragen unterbrochen zu werden.
Andererseits hatte der ÖVP-Chef dadurch ausreichend Gelegenheit, für seine weitgehend bekannten Positionen im Bereich Asyl, Migration und Integration zu werben. Denn von diesen Themen wurde die Debatte in Salzburg über weite Strecken dominiert.
Eröffnet wurde die Runde jedoch mit dem Thema Parteien- und Wahlkampffinanzierung und der heutigen Bekanntgabe der ÖVP, die Partei sei gehackt worden. Kurz betonte erneut, es gehe nicht nur um Datenklau, sondern auch um Datenmanipulation und die Möglichkeit, dass Hacker Daten auf den ÖVP-Servern platziert haben könnten. Diesbezüglich gebe es "einige Verdachtsmomente, die wir prüfen". Es handle sich bei der Angelegenheit um einen "Angriff auf die Demokratie".
Einen solchen ortete Schwarzer hingegen vielmehr in der Wahlkampfkosten-Überschreitung der ÖVP 2017: "Sie haben sich die Wahl erschwindelt." Kurz entschuldigte sich für den "Fehler" und erneuerte in weiterer Folge seine Absicht für volle Rechnungshof-Kontrolle der Parteifinanzen.
Keine Zustimmung zu RH-Kontrolle wegen "Details"
Warum die ÖVP nicht schon im Rahmen der Novelle des Parteiengesetzes vor dem Sommer dafür gestimmt habe? Die Neos hatten damals einen entsprechenden Antrag im Parlament eingebracht. Kurz: "Details haben nicht gestimmt."
Zaafranis Frage, warum eine Falter-Journalistin aus dem Pressegespräch zu dem vermeintlichen Hackerangriff am Donnerstag geworfen wurde, korrigierte Kurz: Sie sei nicht hineingelassen worden, weil nur der ORF und Tageszeitungen eingeladen gewesen seien. Und es sei "unser gutes Recht, einzuladen, wen wir wollen".
Als nächstes war Klaus Begle am Wort, ein prononcierter Kritiker des Kurz-Kurses aus Vorarlberg. Die ÖVP sei nach wie vor seine Partei, so der Hohenemser Gemeindevertreter, "aber nicht die türkise Partei". Was Kurz geschaffen habe, sei eine "Pervertierung der Partei". Die von der "türkisen Partie" beförderte Fremdenfeindlichkeit sei alles andere als christlich-sozial, meinte Begle. +
Seine Kritikpunkte: die Reform der Mindestsicherung, die Kürzung der Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder von in Österreich arbeitenden Menschen und die Abschiebepolitik der gescheiterten türkis-blauen Bundesregierung.
Sozialstaat schützen
Kurz betonte seine bekannten Positionen: Wer arbeite, müsse mehr bekommen als jemand, der nicht arbeitet und man müsse den Sozialstaat schützen. Dessen ungeachtet erneuerte er seine im August erstmals geäußerte Ansage, Asylwerber, die sich bereits in Lehre befinden, sollten diese auch abschließen können.
Auch ein strenger EU-Außengrenzschutz sei wichtig, auch um Leben zu retten. Er habe erlebt, wie Tausende im Mittelmeer ertrunken seien, "weil die EU Menschen angelockt hat". Begles sarkastische Entgegnung: "Das ist, wie wenn Sie sagen, wenn wir keine Bergrettung mehr haben, gehen die Menschen nicht mehr in die Berge und haben keine Unfälle mehr."
Kurz beharrte freilich auf seiner Position. Seit die EU den Kurswechsel vollzogen habe, würden wesentlich weniger Menschen ertrinken.
Wegen eines früheren Schwenks von Kurz', nämlich jenem in der Migrationspolitik von der Willkommenskultur hin zur restriktiven Zuwanderungspolitik, musste sich der ÖVP-Chef etwas von Schwarzer anhören. Er halte ihn für einen "gebildeten, telegenen Spezialisten für die Macht", so Schwarzer. Aber: "Ich glaube ihnen keine Ideologie."
"War irrsinnig glücklich in dieser Regierung"
Kurz' Konter: Er stehe für eine "sehr bürgerliche Politik". Wäre es ihm nur um Machterhalt gegangen, wäre es "das einfachste der Welt gewesen, einfach weiterzumachen" mit der FPÖ. Denn: "Ich war irrsinnig glücklich in dieser Regierung." Das Ibiza-Video sei jedoch nicht zu ignorieren gewesen.
Zuletzt ging es um das Kopftuchverbot. Zaafrani und Begle warfen Kurz vor, mit dem Thema nur von anderen Debatten ablenken zu wollen, Schwarzer bezeichnete es als "Symbolpolitik". Zaafrani betonte auch, wenn man eine Glaubenspraxis wie das Kopftuch kriminalisiere, falle das auf alle Angehörigen der jeweiligen Religion zurück. Berichte zeigten, dass Muslime in Österreich stärker diskriminiert werden als in anderen Ländern.
Kurz verteidigte sich: Er kenne wenige Länder, in denen "Menschen so frei ihre Religion ausüben können wie in Österreich". Doch: Er wolle nicht, dass "Mädchen gezwungen werden, einen Schleier zu tragen."
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