ORF-Wahlduell: "Hypo, Knittelfeld, Ibiza - das ist Ihre Bilanz"
Die ersten fünf TV-Duelle sind geschlagen, stattliche 20 Zweier-Konfrontationen stehen noch aus – und damit sind vorerst nur jene Aufeinandertreffen gezählt, bei denen sich die Spitzenkandidaten im öffentlich-rechtlichen ORF und im Privatsender Puls 4 messen.
Wer hat bei den TV-Konfrontationen besonders überzeugt, wer enttäuscht, wer überrascht? Und welche Themen wurden zwischen den einzelnen Parteichefs- bzw. Diskutanten besonders kontrovers diskutiert?
Duell für Duell fasst der KURIER die wichtigsten Momente und Botschaften des ersten Duell-Abends zusammen. Unterstützt wurde die Redaktion dabei von zwei langjährigen Experten, nämlich von OGM-Chef Wolfgang Bachmayer sowie dem früheren ORF-Moderator und nunmehrigen TV-Trainer Gerald Groß.
Meinl-Reisinger gegen Kogler
Im ersten Duell ging es vorab um Distanz – und zwar zur ÖVP. Sowohl Grünen-Chef Werner Kogler, als auch Neos-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger versuchten klarzumachen, dass Koalitionen unter einem ÖVP-Kanzler längst nicht ausgemacht sind. „Ich drücke Sebastian Kurz sicher nicht die Schlüssel fürs Kanzleramt in die Hand!“, sagte Meinl-Reisinger. „Die ÖVP müsste jedenfalls christlich-sozialer und ökologischer werden, die Wahrscheinlichkeit für eine Koalition ist gering“, sagte Kogler. Und auch bei anderen Themen wie Transparenz oder Grundrechtsfragen waren beide weitgehend eines Sinnes.
Kontroversieller wurde es beim Freihandel: Während Meinl-Reisinger argumentierte, dass mit Abkommen wie dem Mercosur-Pakt europäische Standards nach Südamerika exportiert werden könnten, widersprach Kogler: Damit unterstütze man perverse Kreisläufe mit „gigantischen Tierfabriken“.
Fazit Wolfgang Bachmayer: „Die Auseinandersetzung um Mercosur war ein Punkt für den leidenschaftlicheren Kogler und ein schwierig für Meinl-Reisinger.“
Fazit Gerald Groß: „Tenor des ersten Duells: Gemeinsam gegen Kurz.“
Zusammenhang von Handelsabkommen und Umweltschutz?
Edtstadler gegen Pilz
Einmal darf eine Partei anstatt des Spitzenkandidaten einen Ersatz zum Duell schicken. Die ÖVP machte gleich in der ersten Konfrontation davon Gebrauch: Ex-Staatssekretärin Karoline Edtstadler ging ins Duell gegen Peter Pilz.
Pilz warf ÖVP-Chef Sebastian Kurz Feigheit vor – und der ÖVP Intransparenz in Sachen Parteispenden. Pilz schreckte auch nicht davor zurück, den „Ibiza-Parteien“ ÖVP und FPÖ Korruption vorzuwerfen.
Für Edtstadler "ein regelrechter Skandal". Pilz betreibe eine "Schmutzkübel-Kampagne – aber das kennt man ja". Es zeige, wie Pilz sei: "Ein Meister der Politik-Show". An Sachpolitik brachte Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher das Thema Pflege ein, für deren Finanzierung Edtstadler eine Pflegeversicherung fordert. Auch hier war Pilz diametral zur ÖVP: Er forderte zur Finanzierung eine Erbschaftssteuer.
Fazit Wolfgang Bachmayer: „Pilz dominiert die Debatte, ist ständig im Angriff. Edtstadler kann nur verteidigen und erklären.“
Fazit Gerald Groß: „Pilz leert seinen Bauchladen an türkisen Skandalen aus, Edtstadler erweist sich einmal mehr als Bodyguard von Sebastian Kurz.“
Schlagabtausch zur Schredder-Affäre
Rendi-Wagner gegen Kogler
Rot gegen Grün war das Duell des Abends – immerhin geht es zwischen der SPÖ und der Öko-Partei um auffallend viele Wähler, 2017 kam jede zehnte SPÖ-Stimme von den Grünen, war also eine Leihstimme. Es war also nicht verwunderlich, dass es Pamela Rendi-Wagner und Werner Kogler konfrontativ anlegten. Insbesondere bei der Frage einer Ökologisierung des Steuersystems gerieten die beiden hart aneinander.
Rendi-Wagner warf Kogler vor, Wirtschafts- und Klimapolitik gegeneinander auszuspielen und mit neuen Abgaben Pendler und sozial Schwache zu belasten. Den Grünpolitiker brachte genau das aber in Rage – das Gegenteil sei der Fall, eine Ökologisierung bringe eine „Umverteilung von unten nach oben“.
Fazit Gerald Groß: „Ein übermotivierter,Professor’ Kogler weiß, dass er beim Einstiegsthema Klima schwer zu erschüttern ist, strapaziert aber die Geduld der Zuschauer, indem er doziert. Das erste Duell, in dem Kurz nicht abwesende Hauptperson ist.“
Fazit Wolfgang Bachmayer: „Sehr wichtige Debatte für Rendi-Wagner und die SPÖ. Sie hat die Unterschiede zu den Grünen gut herausgearbeitet, war besser als erwartet – ,Gut gebrüllt, Löwin!“
Rendi-Wagner - Kogler: Kampf gegen die Klimakrise
Analyse von KURIER-Innenpolitik-Chefin Daniela Kittner
Meinl-Reisinger gegen Pilz
Neos und Liste Jetzt eint, dass sie junge Parteien sind, deren Gründung durch Spenden ermöglicht wurde. Aber selbst das ist aus Sicht von Peter Pilz (Jetzt) relativ: Seine Partei hätte die Spende des Anwalts Alfred Noll gar nicht gebraucht. Die Spenden an die Neos hingegen – vor allem von Hans-Peter Haselsteiner – seien „Investments“ in eine bestimmte Politik: Etwa gegen Vermögenssteuern.
Pilz unterscheide offensichtlich zwischen „guten und schlechten Spenden“, entgegnete Beate Meinl-Reisinger. Die Neos seien Pioniere in Sachen Transparenz, daher verwahre sie sich dagegen, „in die Nähe von Korruption gerückt zu werden“.
Viel Raum nahm das Thema Pensionen ein: Pilz warf den Neos vor, Spekulationsverluste der Pensionskassen mitzuverantworten, da sie ein Gesetz mitbeschlossen hätten, das den Kassen erlaube, am Aktienmarkt zu agieren. Meinl-Reisinger konterte, die Verluste seien marktbedingt gewesen.
Fazit Wolfgang Bachmayer: „Selbst bei Kritik und Angriffen streut Meinl-Reisinger oft ein Lächeln ein. Das wirkt sympathisch, nicht verbissen.“
Fazit Gerald Groß: „Die beiden trennen menschlich und politisch Welten – das ist zum Greifen.“
Finanzierung des Pensionssystems
Rendi-Wagner gegen Kickl
Am Beginn stand ein fast überraschendes Kompliment: "Eigentlich finde ich Sie ganz sympathisch", sagte FPÖ-Mann Herbert Kickl zu SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner – das "Aber" folgte auf dem Fuße. Denn wenig später hielt der frühere Minister der roten Parteichefin vor, dass die FPÖ in wenigen Monaten mehr sozialpolitische Fortschritte geschafft habe als die SPÖ in zehn Jahren. "Sie sind vor Neid erblasst in den letzten eineinhalb Jahren, weil sie gesehen haben was man der ÖVP alles abringen kann, wenn man's ernst meint." Und die SPÖ sei vor allem mit Nicht-Staatsbürgern solidarisch – anstatt mit den Österreichern.
Rendi-Wagner nutzte die Gelegenheit, um sich von den Blauen zu distanzieren. "Ich entscheide auf Bundesebene über eine Koalition." Und die sei mit der FPÖ auszuschließen. Rendi-Wagner: "Hypo, Knittelfeld, Ibiza: Das ist ihre Bilanz."
Fazit Wolfgang Bachmayer: Wichtiges Duell, weil überlappende Wählerschaft. Kickl zeigt, dass er der „Bad Cop“ ist. Rendi-Wagner tut sich schwerer als zuvor. Kickl-Aussagen wie „Sie sind halt ahnungslos“ bringen aber Sympathien für sie.
Fazit Gerald Groß: Kickl stellt Rendi-Wagner ins Bobo-Eck, biedert sich an die Gewerkschafter an und verhilft Rendi-Wagner zu ihrem vielleicht stärksten Moment: Sie agiert emotional und engagiert.
Das schwierige Verhältnis zwischen SPÖ und FPÖ
Kickl und Rendi-Wagner zum Zwölf-Stunden-Tag
Unsere Live-Berichterstattung finden Sie hier zur Nachlese:
Kommentare