Volksbefragung: Gezerre um Katalog von Tabu-Themen

ÖVP Parteitag, Sebastian Kurz
Trotz großer Skepsis vieler Abgeordneter soll unter dem Druck der Wahl die direkte Demokratie durchs Hohe Haus gepeitscht werden.

Das Bauchweh bei vielen Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen über das Vorhaben ihrer Parteioberen ist enorm. Die Parteiführungen von SPÖ, ÖVP und Grünen wollen die plebiszitäre Demokratie einführen. Unter dem Druck des Wahlkampfes – welcher Abgeordnete will da schon offen dem Parteichef widersprechen? – sollen automatische Volksbefragungen im Anschluss an starke Volksbegehren mit Zweidrittelmehrheit in die Verfassung gehievt werden.

Die Argumente der Gegner einer plebiszitären Demokratie kurz zusammengefasst: Automatische Volksbefragungen wären eine Bühne für Populisten und finanzstarke Lobbys. Beides, Populismus und pralle Kriegskassen für Inserate, könnten sich allzu leicht mit dem Boulevard verbinden und seriöse Debatten vor der Befragung verunmöglichen. Hinzu käme, dass Gesetze, die aufgrund eines Bürgervotums entstehen, auf Jahre hinaus picken und womöglich nur durch ein erneutes Bürgervotum zu revidieren wären – eine Selbstfesselung des Parlaments.

Einer der Betreiber der Volksgesetzgebung, Staatssekretär Sebastian Kurz, musste denn auch im ÖVP-Klub letzte Woche erneut Kritik einstecken. Kurz meinte, indem nun rechtlich nicht bindende Volksbefragungen eingeführt würden, bliebe das letzte Wort beim Parlament. Ein einigermaßen kurioses Argument des ÖVP-Staatssekretärs: Was hätte die ÖVP wohl gesagt, wenn das Parlament die Wehrpflicht abgeschafft hätte, obwohl die Volksbefragung für deren Beibehaltung ausging? So korrigierten ÖVP-Abgeordnete Kurz, dass das „letzte Wort des Parlaments“ wohl nur rechtlich-graue Theorie sei.

Doch anders als vor einigen Monaten traute sich diesmal kein ÖVP-Mandatar mehr, grundsätzlich Nein zu sagen. Als Ersatzhandlung konzentriert sich die ÖVP nun auf einen Katalog von Themen, die für einen Volksentscheid tabu bleiben sollen.

Der Vorstoß von SPÖ-Klubchef Josef Cap, gleich einmal eine Reichensteuer-Befragung durchzuführen, und die KURIER-Umfrage, wonach satte 71 Prozent für Vermögenssteuern sind, haben die ÖVP erschreckt. Sie will nun Steuern von Volksbefragungen ausklammern. ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf hat – schlau – einen Entwurf der früheren rot-grünen Regierung Deutschlands aus dem Jahr 2004 ausgegraben (der nie umgesetzt wurde). Demnach wollte Rot-Grün in Deutschland die Todesstrafe, das Budget und – siehe da – „Abgabengesetze“ von Volksinitiativen ausschließen. Cap gibt sich davon unbeeindruckt: „Die Millionärssteuer muss abfragbar sein. Millionärssteuern sprengen nicht das Budget, sondern bringen dem Staat Geld.“

Der Ausnahmen-Katalog hat Tücken: So soll etwa das Beamten-Dienstrecht tabu sein. Ein Mandatar: „Was passiert, wenn das Volk sagt, die Verwaltungsausgaben seien um 20 % zu kürzen? Es würde zwar nicht über das Dienstrecht abgestimmt, aber der Effekt wäre der gleiche: Ohne ins Dienstrecht hineinzuschneiden, käme die Summe nie zustande.“

Die automatischen Volksbefragungen sollen am 28. Juni im Verfassungsausschuss, danach im Juli-Plenum beschlossen werden.

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